Bettler 02 - Bettler und Sucher
vehement zu schieben. Unter dem grünen Overall bewegten sich die Muskeln an ihrem Oberschenkel. Sie wog sicherlich fünfzehn Kilogramm mehr als ich; ihre Reichweite war größer; sie war in hervorragender Kondition.
Ich sah Leishas Körper, zart und schlank, zusammengesunken an dem Sauerapfelbaum lehnen. Zwei rote Löcher in der Stirn.
Die Cafeteria war ein großer Raum, in dem etliche Tunnels endeten. Es gab Tische, Stühle und ein Holoterminal von der einfachsten Sorte, das nur für den Empfang vorgesehen war. Es zeigte ein Rollerrennen. Nirgendwo ein Förderband zu sehen, aber einige Leute hatten Schüsseln mit Sojaeintopf vor sich stehen. Sie starrten mich unverhohlen an, als Peg mich in den Raum schob. Und zumindest ein halbes Dutzend davon zeigte einen offen feindseligen Gesichtsausdruck.
Abigail und Joncey saßen an einem Tisch am anderen Ende des Raums. Abigail nähte tatsächlich Bahnen aus Spitzenstoff aneinander – mit der Hand! Es war, als würde man jemandem beim Kerzenziehen zusehen oder beim Graben mit einer Schaufel. Abigail warf mir einen kurzen Blick zu und ignorierte mich in der Folge.
Peg schob meinen Rollstuhl an einen Tisch heran, brachte mir eine Schüssel Eintopf und ließ sich nieder, um das Rennen zu verfolgen. Unter ihrem mächtigen Körper sah der PlastiSynth-Einheitsstuhl geradezu verkümmert aus.
Ich wandte meinen Blick dem Rennen zu und beobachtete zugleich alles andere durch die Zoomzone meiner Hornhaut. Abbys Spitzen zeigten ein verwirrendes Muster aus kleinen Rechtecken, von denen keine zwei einander glichen, wie Schneeflocken. Sie schnipselte ein Rechteck aus dem Spitzenstoff und hielt es Joncey lachend unter die Nase. Drei Männer spielten Karten; derjenige, dessen Blatt ich sehen konnte, hatte ein Paar Könige in der Hand. Nach einer Weile sagte ich zu Peg: »Verbringt ihr alle eure Tage so? Als Beitrag zu euerm Freiheitskampf?«
»Maul halten, du!«
»Ich möchte mehr von der Anlage sehen. Hubbley sagte, das wäre okay, wenn du mich herumführst.«
»Für dich ist er ›Oberst Hubbley‹, kapiert?«
»Also gut, Oberst Hubbley.«
Sie packte meinen Rollstuhl und schob ihn so ungestüm in den nächstbesten Gang, daß meine Zähne aufeinanderschlugen. »He!« rief ich. »Nicht so schnell!«
Sie verlangsamte das Tempo zu einem unverschämt boshaften Dahinschleichen. Ich hatte nichts dagegen, denn so blieb mir mehr Zeit, mir alles einzuprägen.
Es war nicht leicht. Die Tunnels sahen alle völlig gleich aus: gesichtslos weiß, nanoperfekt, ausgekleidet mit einer schmutzabweisenden Beschichtung und nur unterbrochen von identischen weißen, nicht gekennzeichneten Türen. Ich versuchte, mir winzige Krümel von Essensresten zu merken, die jemand fallengelassen hatte, und die Spuren von Stiefeln. Einmal entdeckte ich ein kleines Rechteck aus Spitze, und ich wußte, hier mußte Abigail vorbeigekommen sein. Peg schob mich vorwärts wie ein Rob, teilnahmslos und unermüdlich. Nach und nach verlor ich jeden Überblick über das, was ich mir merken wollte.
Nach drei Stunden kamen wir an einem PutzRob vorbei, der alles aufwirbelte und absaugte, was ich als Markierung benutzt hatte.
Während der ganzen Tour sah ich nur zwei offene Türen. Eine führte zu einem Gemeinschaftsbad. Die andere ging kurz auf und gleich wieder zu und gestattete mir nur einen flüchtigen Blick auf Reihen um Reihen von Hochsicherheitskanistern. Der Duragem-Spalter? Oder irgendeine andere Vernichtungswaffe gegen nichtmenschliches Genom, von der Jimmy Hubbley dachte, er müßte sie auf seine Feinde loslassen?
»Was war das?« fragte ich Peg.
»Maul halten, du!«
Eine Stunde später kehrten wir zum Gemeinschaftsraum zurück. Peg schob mich zu einem leeren Tisch und knallte eine weitere Schüssel Eintopf vor mich hin. Ich war nicht hungrig.
Nach einigen Minuten ließ sich Jimmy Hubbley neben mir nieder. »Also, mein Junge, hoffentlich hat Ihnen der Rundgang gefallen.«
»Oh, es war ganz großartig«, sagte ich. »Allerhand, was ich da an Beiträgen zur Kriegsführung sehen durfte.«
Er lachte. »Doch, doch, er geht schon vonstatten! Aber Sie werden mich nicht dazu bringen, Ihnen alles zu zeigen, bevor die Zeit dazu reif ist. Keine Eile, keine Eile!«
»Fürchten Sie nicht, daß Ihre Männer durch das lange Nichtstun hier unruhig werden könnten? Was machte denn General Marion mit seinen Soldaten zwischen den Schlachten?« Ich legte den Löffel hin; ich haßte ihn so sehr, daß ich in seiner Gegenwart
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