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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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er hoffnungslos in Annie verliebt, die viel robuster und abweisender wirkte als er. Und Lizzie konnte, einfach gesagt, mit ihm machen, was sie wollte. Mit dem armen Billy.
    Lizzie saß immer noch in ihrem rosa Nachthemd auf dem imponierend häßlichen PlastiSynth-Sofa; das Haar hatte sie zu sechzehn Zöpfchen geflochten, die alle mit rosa Schleifen gebunden waren. Elektronische Roboterbestandteile lagen verstreut auf ihrer Decke. Das alles erblickte ich, als Billy mir die Tür öffnete und ich an ihm vorbeisah; er wollte mich nicht einlassen.
    »Lizzie, die schläft grade.«
    »Nein, sie schläft nicht, Billy. Sie sitzt dort drüben.«
    »Vicky!« rief Lizzie mit ihrer Kleinmädchenstimme, und etwas Unerwartetes rührte sich in meiner Brust. »Du bist wieder da!«
    »Is’ doch krank, die, soll keinen Besuch nich’ haben.«
    »Mir geht’s gut!« rief Lizzie. »Laß Vicky rein, Billy, biiitte!«
    Er tat es, gar nicht glücklich. Annie war nicht zu sehen. Ich sagte: »Was hast du denn da, Lizzie?«
    »Den ApfelschälerRob aus der Cafeteriaküche«, verriet sie mir bereitwillig und keineswegs schuldbewußt. Billy wand sich. »War plötzlich hinüber, un’ da nahm ich ihn auseinander. Wollte sehen, ob ich ihn wieder in Schuß bringen konnte.«
    »Und? Kannst du?«
    »Nein. Kannst du’s?« Sie sah mich mit hungrigen braunen Augen an. Billy verließ die Wohnung.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte ich. »Ich bin kein RobTech. Aber laß mal sehen.«
    »Ich zeig’s dir, schau mal.« Flink fügte sie die Teile des SchälerRobs zusammen; er hatte einen einfachen, mit Y-Energie betriebenen Kellor-Standardchip. Ich bin mit Alison Kellor zur Schule gegangen, die im Hinblick auf das elektronische Imperium, das sie dereinst erben würde, stets eine weltmännisch blasierte Überheblichkeit zur Schau trug.
    Lizzie hatte den Rob in etwa zwei Minuten zusammengebaut und führte mir vor, daß er trotz des aktiven Chips nicht funktionieren wollte. »Siehst du das winzigkleine Ding da, Vicky? Wo der Schälarm mit dem Rob verbunden is’? Is’ irgendwie abgeschmolzen, das.«
    »Woher, denkst du, kommt das?« fragte ich.
    Die großen braunen Augen blickten mich an. »Hab keine Ahnung nich’.«
    »Ich schon.« Das zerstörte Gelenk war aus Duragem. War aus Duragem gewesen, bis es der entkommene MolSpalter zerfressen hatte.
    »Was is’ dran schuld, Vicky, daß es geschmolzen is’?«
    Ich drehte den Rob in meinen Händen nach allen Seiten herum und hielt Ausschau nach weiteren Duragem-Gelenken. Es waren welche vorhanden, zwischen den weniger widerstandsfähigen, aber billigeren nichtbeweglichen Plastikteilen, und die waren nicht »irgendwie abgeschmolzen«.
    »Was is’ dran schuld, Vicky? Vicky?« Eine Hand legte sich auf meinen Arm.
    Warum waren die anderen Duragem-Gelenke nicht angegriffen worden? Weil der Spalter mit einem Zeitmechanismus ausgerüstet war. Er hatte sich nach einer gewissen Frist selbst zerstört und auch aufgehört, sich zu vermehren, nachdem er eine bestimmte Anzahl von Kopien seiner selbst angefertigt hatte. Vieles – wenn nicht das meiste – in der Nanotechnik wurde mit dieser Sicherheitsmaßnahme ausgestattet.
    Lizzie schüttelte mich am Arm. »Was war dran schuld, daß es geschmolzen is’, Vicky! Was?«
    »Eine winzigkleine Maschine. So klein, daß man sie mit bloßem Auge gar nicht sehen kann.«
    »Der Duragem-Spalter? Den, wo sie im InfoNetz gebracht haben?«
    Da sah ich überrascht auf. »Du siehst die Macher-Kanäle?«
    Sie bedachte mich mit einem langen, ernsthaften Blick. Ich konnte sehen, daß es eine bedeutungsvolle Entscheidung für sie war: mir zu trauen oder nicht. Schließlich sagte sie, als wäre es eine Antwort auf meine Frage: »Bin fast zwölf, ich. Aber meine Mama, die denkt, ich bin noch sechs!«
    »Ach so«, sagte ich und nickte. »Und wie kommt eine praktisch erwachsene Zwölfjährige zu einem Macher-Kanal? Die laufen doch nie in der Cafeteria!«
    »Mitten in der Nacht läuft gar nichts. Manchmal geh’ ich hin, nachts, un’ dann seh’ ich zu.«
    »Du schleichst dich heimlich aus dem Haus?«
    Sie nickte ernst und feierlich, überzeugt, daß dieses Eingeständnis die Welt zum Einsturz bringen würde. Und in gewisser Weise hatte sie recht. Ich hätte mir nie vorgestellt, daß ein Nutzer-Kind mit soviel Wißbegierde, Intelligenz und Charakter ausgestattet sein könnte. Lizzie Francy durfte es einfach gar nicht geben! Sie war ein ebenso verwirrendes Phänomen wie der Duragem-Spalter, und

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