Bettler 03 - Bettlers Ritt
ausging. Von ihren Augen, ihrer Körpersprache, ihrem Tonfall. Er würde sich nur an die Worte selbst – ohne ihren verwirrenden Reiz, ihre unterschwelligen Nuancen – erinnern und sich verwünschen, weil er ja gesagt hatte.
Cazie lachte. »Also um neun. Ich fahre. Und jetzt bin ich am Verhungern. Ah, Tessie, da bist du ja. Was für ein hübscher kleiner GenMod-Vogel! Kannst du auch sprechen, Käfigvögelchen? Kannst du sagen: ›Zerfall der Gesellschaft‹?«
Theresa hielt den Käfig aus Y-Energie hoch. »Er singt nur.«
»Wie die meisten von uns auch«, sagte Cazie und nickte. »Verzweifelte Dissonanzen. Jackson, ich bin wirklich hungrig! Ich denke, wir leisten Tessie Gesellschaft, während sie ißt, und dann solltest du mich zum Abendessen auf deinen so unendlich geschmackvollen Nährplatz einladen.«
»Ich gehe aus«, sagte Jackson hastig. Theresa sah ihn mit einem überraschten Ausdruck an, der sofort wieder aus ihrem Gesicht verschwand. Jackson wußte nie genau, wieviel sie von seinen Gefühlen für Cazie wußte oder ahnte. Theresa war so feinfühlig, wenn es um Kummer und Bedrängnis ging. Sie mußte intuitiv spüren, daß es Jackson unmöglich war, einfach so mit Cazie in den Speiseraum zu gehen, den Großteil seiner Kleider abzulegen und zusammen mit ihr auf dem mit Nährstoffen angereicherten Erdreich zu liegen, während sein Körper durch die winzigen Kanäle in der Haut in ausgewogenem Verhältnis all das absorbierte, was er davon benötigte. Jackson konnte das einfach nicht tun! Obwohl die Verlockung groß war. Dort zu liegen unter den warmen Lichtern, deren wechselnde Wellenlängen sorgfältig nach ihrer entspannenden Wirkung auf den Geist zusammengestellt waren… die parfümierte Luft zu atmen, sich auf einen Ellbogen zu stützen, um beiläufig mit Cazie zu sprechen, Cazie bei der Nahrungsaufnahme zuzusehen, wie sie auf dem Bauch lag, die nackten kleinen, festen Brüste ans Erdreich gepreßt…
Unmöglich.
Er wartete, bis seine Erektion nachgelassen hatte, ehe er aufstand und sich mit kunstvoller Nonchalance streckte. »Also dann… ich werde erwartet. Gute Nacht, Cazie. Ich werde nicht spät heimkommen, Theresa.«
»Gib acht auf dich, Jackson«, sagte Theresa, wie immer. Als ob innerhalb der Enklave Manhattan-Ost, deren Y-Schild sie alle selbst vor unerwünschtem Wetter schützte, irgendeine Gefahr lauern könnte. Theresa hatte das Apartment seit über einem Jahr nicht mehr verlassen.
»Ja, gib acht auf dich, Jack«, wiederholte Cazie mit zärtlichem Spott, und Jacksons Herz tat einen Extraschlag, als er aus dem weichen Tonfall eine Spur von Bedauern herauszuhören vermeinte. Aber als er zurückblickte, drehte sich alles wieder um Theresas Vögelchen, und Cazie sah ihn nicht einmal an.
Aber morgen…
Zum Teufel mit morgen! Es würde eine rein geschäftliche Sache sein, nur um herauszufinden, was im Werk Willoughby los war. Ihm gehörte die verdammte Firma – zumindest ein Drittel davon! Er sollte doch die Werksberichte häufiger studieren, der Künstlichen Intelligenz, die die Fabriken leitete, gelegentlich Befehle geben, sich beim Chefingenieur von TenTech öfter mal einklinken und sich um die Schwierigkeiten kümmern. Er sollte verantwortungsbewußter handeln, wenn es um sein und Theresas Geld ging. Er sollte…
Er sollte eine Menge Dinge tun.
Als er hinaustrat in die kalte Novembernacht, die sich unter der Kuppel anfühlte wie ein warmer Septemberabend, versuchte er, sich einen Ort zum Abendessen einfallen zu lassen, wo er lieber wäre als zu Hause.
2
Lizzie Francy blieb im harten Gras des dunklen Feldes stehen und legte warnend eine Hand auf Vicki Turners Arm. Ein kalter Wind blies über Pennsylvania. Dreißig Meter vor den beiden ragte die Y-Energiekegelfabrik TenTech im Mondschein auf, ein fensterloser Quader aus SchaumStein, glatt und gesichtslos wie ein Gefängnis.
»Keinen Schritt weiter«, sagte Lizzie. »Ein Meter bis zum Sicherheitsschild. Siehst du, wie sich das Gras dort verändert?«
»Natürlich nicht!« rief Vicki. »Ich kann überhaupt nichts sehen! Wie machst du das?«
»Ich war bei Tageslicht schon hier«, erklärte Lizzie. »Wir müssen ein Stück nach links… Ich habe eine Markierung zurückgelassen. Du zitterst ja, Vicki! Ist dir kalt?«
»Ich bin am Erfrieren. Wir sind alle am Erfrieren! Darum unternehmen wir ja auch diese nächtliche Einbruchstour, oder? Mein Gott, ich muß verrückt sein, daß ich da mitmache… Wie weit nach links?«
»Genau bis
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