Bettler 03 - Bettlers Ritt
schon im zweiten Roman offenkundig war – vollendet ist. Und so übernimmt Vicky, die zentrale Figur des zweiten Romans, in dem sie Diana Covington hieß, die Hauptrolle. Indem sie sich als Bettlerin tarnt, unterstützt Diana/Vicky die junge Bettlerin Lizzie Francy darin, sich mit ihrer Intelligenz und ihrem Verlangen, anderen zu helfen, zu einer Art Macherin zu entwickeln. In Gestalt eines Macher-Arztes, der wenig zu tun findet, seit der Zellreiniger die Krankheiten im wesentlichen ausgerottet hat, fügt die Autorin ein wenig romantischen Reiz für Vicky hinzu. Darüber hinaus wird Dr. Aranows Schwester Theresa, die sich der ›Veränderung‹ nie unterzogen hat, zur Verkörperung eines Potentials für eine psychische Veränderung, die allein durch menschliche Willenskraft herbeigeführt werden kann. Es ist diese kleine Gruppe von Menschen – Macher und Nutzer –, die Schlaflose und SuperS übertreffen, indem sie sich der Aufgabe widmen, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen, den die ihnen intellektuell so ›Überlegenen‹ bei ihren verfehlten Bemühungen, der Menschheit ›zu helfen‹, hineingefahren haben.
Im letzten Roman führt Nancy Kress den Leser zum anderen Ende eines Spektrums von Kettenreaktionen hin, die in der ursprünglichen Novelle ›Bettler in Spanien‹ ihren Anfang nahmen. Mit all ihren Möglichkeiten für wissenschaftlichen und technischen Fortschritt betrachten wir die menschliche Intelligenz als etwas so Aufregendes, daß die utopische Vision von Wesen, die sich in dieser Hinsicht die evolutionäre Leiter um eine oder mehr enorm hohe Sprossen hinaufbewegt haben, für viele von uns einen gewissen Reiz birgt. Zu Beginn neigen wir dazu, ihnen zuzugestehen, daß sie besondere Rücksichtnahme und Schutz brauchen vor den Mißgünstigen und Ängstlichen, die ihre Vernichtung wollen. Wir möchten gern glauben, daß solche Mirandas tatsächlich wissen, was gut ist für uns. Doch zugleich spüren wir, daß es für jede Miranda zumindest eine Jennifer geben würde – und daß diese Mirandas sehr leicht irregeleitet werden könnten. Dementsprechend ist bereits viel von der freudigen Erregung, die die SuperS in den ersten beiden Romanen hervorgerufen haben, verflogen, als Nancy Kress uns von ihnen wegführt und die Macher als ihre zentralen Charaktere wählt. Es liegt etwas irgendwie Beruhigendes in dem Augenmerk, das auf Macher wie Vicky und Dr. Aranow gerichtet wird; diese mögen zwar keine SuperS sein, aber sie übernehmen die Aufgabe, die Menschheit weiterzubringen, auch wenn das nun langsamer vonstatten geht.
In den kommenden Jahren werden die Leser der Bettler-Romane mit großem Interesse abwarten, ob Nancy Kress den Kräften widerstehen kann, die sie zu der in der Trilogie geschaffenen Zukunftswelt ziehen. Der Schluß von Bettlers Ritt verbaut den Weg für eine solche Rückkehr nicht endgültig, doch dieses Gefühl eines unvollständigen Abschlusses wird hier zum Teil von der Abneigung der Autorin hervorgerufen, ihre Geschichten mit einem eindeutigen Ende ohne ausstehende Fragen zu versehen. Sie spart gern etwas von dem auf, was sie ›die Unordentlichkeit des Lebens‹ nennt. Beim Lesen der Trilogie beschleicht die meisten von uns darüber hinaus das sonderbare Gefühl, daß wir keine Erzählung vor uns haben, die kapitel- oder romanweise im voraus entworfen wurde. Nancy Kress erklärt, daß sie auf diese Weise auch gar nicht arbeiten könnte, sondern daß sie schreibt, um herauszufinden, was geschehen wird; wenn sie das schon im vorhinein wüßte, würde sie das Interesse am Schreiben und an der Geschichte verlieren. Für den Leser hingegen kann eine solche Einstellung zum völlig Unerwarteten führen, wie etwa zum plötzlichen Tod von Leisha Camden (die Autorin sagt, sie hatte einfach genug von der ersten Zentralfigur ihrer Trilogie) und dem überraschenden Fehlen von Drew Arlen in Bettlers Ritt, wo er nicht einmal erwähnt wird, obwohl er doch immerhin das letzte Wort im vorangegangenen Roman hatte. Nancy Kress schafft eine Welt, die sehr ähnlich ist der manchmal grausamen, in der wir leben, eine Welt, in der Wünsche, wenn überhaupt, zeitweilig erfüllt und Erwartungen immer wieder enttäuscht werden, während wir in die Zukunft taumeln – und nicht irgendeinem ins Auge gefaßten erzählerischen ›Ende‹, sondern einem einfachen ›Aufhören‹ entgegen.
Originaltitel:
›If There Is Intelligent Life on this Planet,
Can It Survive? – The Beggars Novels of Nancy
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