Bettler 03 - Bettlers Ritt
Ecke war eingedrückt, und die Verschlußklappen fehlten. Sie sah aus, als hätte sie einen Krieg überstanden. Auf dem Fließband selbst hoben Roboterarme die empfindlichen Innereien der Kegel, die aus dem versiegelten Kalte-Fusion-Reaktor angeliefert wurden, um sie in die Kegelhüllen einzupassen – und verfehlten dabei ihr Ziel um gute fünfzehn Zentimeter. Die zerquetschten Energiespeicher schoben sich an den Rand des Fließbandes; die leeren Gehäuse segelten weiter bis zu dem übergeschnappten Gabelstapler, der am Ende des Bandes schon darauf wartete, daß sie in seine Kiste gepackt wurden, um sie zu jener Stelle zu transportieren, wo er sie immer auf den Boden warf, ehe er Nachschub holte.
Vicki sagte: »Was…?«
»Die Algorithmen zur Distanzabstimmung sind durcheinandergeraten«, stellte Lizzie mit Abscheu in der Stimme fest. »Mein Gott, was für eine Verschwendung] Deine Freunde, die Bosse, kontrollieren offenbar nur die Produktionszahlen und weder die Qualität, noch den… Vicki! Das ist nicht lustig!«
»Aber natürlich ist es das!« Vicki bog sich vor Lachen und brachte kaum die Worte heraus. »Urkomisch! Die High-Tech-Welt der Macher! Und dann sieht es aus wie der Heilige Krieg von Robs, die zuviel Endorkiss intus haben… und… dieser ausgestopfte Spießer… Jackson… Aranow…!«
»Wir haben nur noch wenige Minuten, Vicki, und wir brauchen Kegel! Hilf mir, welche zu finden, die verpackt wurden, bevor hier die Hölle losbrach! Sehr lange kann das noch nicht so gegangen sein…«
»Nein? Dann schau dir doch… die Staubschicht an!« Und wieder fing sie an zu lachen, kicherte wie die Verrückte aus dem Tollhaus-Holo. Manchmal schien es Lizzie, als wäre sie selbst die Erwachsene und Vicki, mit ihrem schrägen Macher-Humor, der Teenager. Doch dann wurde Vicki wieder zu der Frau, die Lizzie aus ihrer Kindheit kannte: beängstigend, gescheit, gelassen – ein Wesen aus dieser anderen Welt, die die Welt dirigierte. Warum konnte man nicht in Menschen so leicht fischen wie in Computersystemen? Lizzie stieß Vicki den Finger in die Schulter. »Komm schon! Hilf mir suchen!«
Endlich riß Vicki sich zusammen. Die beiden Frauen rannten zu den Kistenreihen, die einer der Gabelstapler aufgebaut haben mußte, bevor sie beide durchdrehten. Glücklicherweise hatte auch der KlebeRob den Geist aufgegeben, denn keine der Verschlußklappen an den Kisten war festgemacht, was das Öffnen vereinfachte. Die erste Kiste der obersten Reihe war leer. Die zweite auch. Die dritte war vollgestopft mit zerquetschten Energiespeichern, die sich um die Kegelgehäuse schmierten wie zerplatzte Eidotter um ganz gebliebene Schalen. Lizzie stand vor einem Rätsel: Was konnte die Programme derart durcheinandergebracht haben?
»Vicki, wir haben keine Zeit mehr! Unser Laser feuert nur noch einmal! Die Neustartsequenzen sind paarweise gekoppelt, aber das nächste Paar wird durch einen Zufallsgenerator codiert, und das konnte ich bei der Programmierung nicht…«
»Hier!« rief Vicki; jetzt lachte sie nicht mehr. »Diese Kiste ist in Ordnung! Schnapp dir drei oder vier Kegel, los, los!«
Sie stopften die Kegel in ihre Säcke und rannten zurück zum Korridor, wobei sie Mühe hatten, den herumliegenden leeren Kegelgehäusen auszuweichen.
Das Tor am Ende des Korridors war zu.
»Was… Lizzie! Es hat sich automatisch geschlossen!«
Lizzie krallte sich an das Tastenfeld der Handbedienung und drückte verschiedene Standardcodes für den Befehl ›Tür auf‹ ein. Nichts geschah. Das Sicherheitssystem hatte die Tür geschlossen, aber keinen Code zur Öffnung vorgesehen – eine sinnvolle Maßnahme: Wenn jemand den Schild durchbricht, laß ihn nur rein – aber nicht mehr raus.
Vicki sagte: »Kannst du ins System hinein und das Öffnen des Tors programmieren?«
»Nicht, bevor der Schild zusammenbricht. Und das geschieht genau… jetzt!«
Lizzie ließ sich gegen das Tor fallen, und langsam sank sie daran entlang zu Boden wie ein Stoffpüppchen; den Sack mit den kostbaren Y-Kegeln hielt sie immer noch fest an sich gedrückt. Also hatte sie es doch nicht geschafft! Sie hatte versagt – sie, Lizzie Francy! –, und jetzt saßen sie und Vicki in der Falle in einer Kegelfabrik aus undurchdringlichem Schaum-Stein. Aber selbst wenn es ihnen gelänge, aus dem Gebäude hinauszukommen, wären sie in einem Y-Energie-Schild gefangen, den kein Molekül, das größer war als Luft, durchdringen konnte. Sie saßen in der Falle.
»Vicki!«
Weitere Kostenlose Bücher