Bettler 03 - Bettlers Ritt
hatte? Waren die Bullen einfach nach Hause gegangen und rührten sich nicht mehr weg von dort, weil sie sich vor allem Neuen fürchteten? Und Lizzie würde in ihrer Zelle verfaulen?
Alles hier drin war synthetisch. Nichts davon konsumierbar.
Aber es mußte doch wenigstens einen Rob geben, der Nahrung brachte! Und Wasser. Und etwas zum Hineinpinkeln… Da erst fiel ihr das Loch im Boden auf.
Eine weitere Stunde zog sich dahin. Lizzie versuchte klar zu denken, zu planen. Also gut, falls niemand kam und nichts geschah, wenn sie bis hundert gezählt hatte… na ja, bis zweihundert.
Die Zeit war um.
»AaaaAaaaAaaa!« kreischte Lizzie. Sie faßte ein paar Härchen in ihrem rechten Nasenloch und riß daran. Es tat furchtbar weh, und augenblicklich begann die Nase zu rinnen. Ihr Herz klopfte heftig, und sie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Sie riß noch mal an den Härchen, während ihr die Tränen aus den Augen schossen und der Rotz aus der Nase floß. Dann hob sie an, mit raschen, flachen Atemzügen zu keuchen, bis sie hyperventilierte, und warf sich auf den schmalen Streifen SchaumStoff-Boden der Zelle.
»Medizinische Hilfe erforderlich«, sagte die Zelle. »Abnormer Atemrhythmus. Abrupte Blutdrucksteigerung um vierzig Punkte zu dreißig. Puls einhundertdreißig. Hirnscan zeigt…«
Ein MedRob schwebte durch den Y-Schild. Er war von einer Machart, der Lizzie nie zuvor begegnet war, auch damals nicht, als Nutzer-Städte noch MedRobs gehabt hatten. Ein kleiner Arm mit einem Arzneipflaster darauf schoß hervor: das nächste Beruhigungsmittel. Lizzie sprang auf den Schlafsockel, packte den MedRob, riß ihn hoch und drehte ihn mit der Oberseite nach unten. Sie hoffte inständig, daß keiner seiner dürren Roboterarme an sie herankam. Und daß der Alarm, den er zweifellos an das Gebäudesystem aussandte, keine menschlichen Mithörer hatte.
»Med-ComLink öffnen!« schrie sie und führte Doktor Aranows offiziellen Ärztecode an, den sie aus seinem persönlichen System gefischt hatte. O Gott, es mußte sich öffnen! Das Ding war doch ein MedRob, nicht wahr? Es mußte mit offiziellen Datenbanken vernetzt sein!
»Offizielles Med-Link offen«, sagte eine ruhige Frauenstimme. »Aufzeichnung läuft. Sprechen Sie, Doktor Aranow.«
»Verbindung mit meinem Haussystem!«
»Dazu ist diese Anlage außerstande. Sie haben einen Aufzeichnungskanal des offiziellen Med-Links geöffnet. Bitte fahren Sie fort.«
»Gottverdammte Scheiße!« schrie Lizzie. Und wenn nun die Anlage Abwehrmaßnahmen aktivierte? Lizzie sprudelte sämtliche Überbrückungscodes hervor, auf die sie bei ihren Fischzügen in die Sicherheitssysteme verschiedenster staatlicher Computeranlagen gestoßen war, in der Hoffnung, daß einer davon den Kanal öffnen würde – den es geben mußte, denn selbst offizielle Macher-Links hatten immer Hintertürchen, um eine Benutzung des Systems auch für andere als die vorgegebenen Zwecke zu ermöglichen…
»Link offen«, sagte die weibliche Stimme, und eine Sekunde darauf eine männliche: »Ja, Doktor Aranow?«
Jones. Doktor Aranows Haussystem. Lizzie holte tief Atem, um sich zu beruhigen.
»Jones, bitte sag Doktor Aranow, daß er einen Notruf von Lizzie Francy hat!« Sie fuhr fort, den MedRob so weit weg wie möglich von sich zu halten, auch wenn er nun seine Versuche, ihr das Beruhigungspflaster auf die Haut zu klatschen, eingestellt hatte. »Miss Lizzie Francy.«
»Doktor Aranow ist zur Zeit nicht erreichbar. Möchten Sie eine Botschaft hinterlassen?«
»Nein! Will ich nicht…! Ich meine, ich brauche ihn! Verbinde mich mit seinem persönlichen System!«
»Das ist diesem System auf einen Befehl von außen hin leider nicht möglich. Möchten Sie eine Botschaft hinterlassen?«
Lizzie hatte kein bevorrangtes Link, und dieser verdammte pflasterschwenkende Rob hier hatte gewiß nicht die Fähigkeit, eines zu erzeugen. Was jetzt?
»Bitte antworten Sie in den folgenden fünfzehn Sekunden. Möchten Sie eine Botschaft hinterlassen?«
»Nein!« rief Lizzie verzweifelt. »Laß mich mit der Schwester von Doktor Aranow reden!«
»Einen Moment bitte.«
Und dann eine schwache, furchtsame Stimme: »Hallo?«
»Miss Aranow?« Mit einemmal erinnerte Lizzie sich nicht mehr an den Namen von Doktor Aranows Schwester. Sie konnte sie vor sich sehen, schlank und elegant in ihrem geblümten Kleid, Dirk auf dem Arm, Tränen auf dem blassen, ängstlichen Gesicht. Lizzie erinnerte sich sogar an den Namen ihres persönlichen
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