Bettler 03 - Bettlers Ritt
wünschte, sie wäre von der Party nicht mit ihm gekommen, wünschte, sie würde sein Schlafzimmer nie verlassen, wünschte, daß er ein anderer wäre. Resoluter. Herr seiner Wut. Fähig, Cazie ein für allemal abzuhaken.
Es gab Neuropharms, die das schafften. Die seine Neurochemie modifizieren konnten, die Transmitter, Hormone und Enzyme wieder ins Lot brachten. Weniger CRF. Mehr Testosteron. Weniger Serotonin. Weniger Dopaminanhebungsinhibitoren. Mehr ADL.
Wie die Leute bei der Party. Terry und Irina und Landau.
Nein.
Er konnte nicht einschlafen. Nachdem er sich eine Stunde lang hin und her gewälzt hatte, schob er sich sachte aus dem Bett. Er küßte Cazie auf die Wange, zog einen Morgenmantel an und trottete in die Bibliothek.
»Caroline, bitte die Botschaften.«
»Ja, Jackson«, sagte sein persönliches System mit der sachlichen Stimme, die er bevorzugte. »Es sind vier Botschaften da. Soll ich sie in der Reihenfolge ihres Eintreffens vorlesen?«
»Warum nicht.« Er nahm die Whiskyflasche von der Anrichte und goß sich ein.
»Botschaft von Kenneth Bishop aus Wichita. Betrifft: das Werk in Willoughby.« Der Chefingenieur von TenTech. Hatte er sich doch endlich bequemt, im Werk Willoughby nach dem Rechten zu sehen. Eine Woche zu spät. Vielleicht brauchte TenTech einen neuen Chefingenieur. Herr im Himmel, wie Jackson es haßte, sich mit all diesem Mist herumschlagen zu müssen!
»Botschaft von Tamara Gould aus Manhattan. Betrifft: Party.« Das letzte, was Jackson heute brauchte, war noch eine Party! Würde Cazie hingehen wollen? Wenn er mit ihr hinging, würde sie dann noch ein bißchen bei ihm bleiben?
»Botschaft von Brandon Hileker aus Yale. Betrifft: Klassentreffen.« O Gott, war es schon zehn Jahre her, daß er sein Diplom erhalten hatte? Ein Klassentreffen. Und was machst du so, Jackson? Als Arzt?? Ist das nicht ein wenig… überflüssig?
»Botschaft von Lizzie Francy. Betrifft: Babyprojekt.« Baby? Projekt? Was sollte das heißen? War dem Baby etwas zugestoßen, das Jackson letzte Woche geholt hatte? Warum die Sache ›Projekt‹ nennen? Doch andererseits – was wußte Jackson schon davon, wie die Nutzer etwas nannten?
»Caroline, gib mir die ganze Botschaft.«
Lizzies Gesicht formte sich auf dem in die Wand integrierten Bildschirm. Im Unterschied zum letztenmal wirkten Lizzies Züge diesmal hellwach, ihre schwarzen Augen funkelten, und ihr Haar war ordentlich gekämmt. Ihre Sprache, bemerkte er, klang nach Machern und nicht nach Nutzern. Victoria Turners Verdienst?
»Lizzie Francy an Doktor Jackson Aranow: Herr Doktor Aranow, ich rufe an, weil ich Ihre Hilfe brauche. Es handelt sich um ein Projekt, das im Zusammenhang mit der Gesundheit der Babies steht – nicht nur der meines Babies, dem Sie auf die Welt geholfen haben, sondern mit der Gesundheit aller Kinder des Stammes. Und vielleicht auch jener anderer Stämme.« Sie zögerte und fuhr mit veränderter Stimme fort: »Bitte rufen Sie zurück, es ist wirklich wichtig.« Wieder ein Zögern und dann eine sonderbar steife kleine Verbeugung. »Vielen Dank.«
»Ende der Botschaft«, sagte Caroline. »Möchten Sie antworten?«
»Nein. Ja.« Wenn das Baby einen Unfall gehabt hatte… ein ›Projekt‹? »Aufzeichnung der Antwort.«
»Wird aufgezeichnet.«
»Doktor Jackson Aranow an Lizzie Francy. Bitte gib mir mehr Einzelheiten deines Problemes. Benötigt das Baby medizinische Hilfe? Wenn ja, dann…«
Zu seiner Überraschung unterbrach Lizzies Realzeit-Gesicht seine Aufnahme. Es war 4 Uhr 30 morgens. Was machte sie denn da? Überging ganz einfach sein persönliches System! Und wie machte sie es?
»Doktor Aranow! Danke, daß Sie zurückrufen! Ich… wir brauchen dringend Ihre Hilfe. Könnten Sie…«
»Ist das Baby gesund?«
»Vollkommen. Sehen Sie?« Sie vergrößerte den Blickwinkel der Kamera, und Jackson sah, daß sie ihrem kleinen Sohn gerade die Brust gab.
»Warum sagtest du dann, es handle sich um ein Projekt für die Gesundheit des Babies?«
»Das stimmt auch. Aber es ist eine langfristige Sache. Ich wußte nicht, wen ich sonst hätte fragen können. Es ist ein wirklich wichtiges Projekt.«
Jackson hatte das Gefühl, er sollte das Gespräch beenden. Nutzer. Es war immer ein Fehler, sich mit ihnen einzulassen. Sie aus Menschlichkeit mit dem Lebenswichtigsten zu versorgen: ja. Die Macher hatten das immer gewollt; es war gewiß nicht die Schuld der Macher, wenn die Nutzer den Gesellschaftsvertrag – Warengüter gegen
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