Bettler 03 - Bettlers Ritt
benachrichtigen, seine Urgroßenkelin war. Ellie Lester.«
»Urgroßenkelin? Wie alt war der Distriktsleiter eigentlich?«
»Keine Ahnung. Aber sie ist seine nächste Angehörige, und sie hätte den Staat Pennsylvania benachrichtigen müssen, damit alle Vorbereitungen für die Wahl eines Nachfolgers getroffen werden. Und das hat sie nicht getan.«
»Natürlich hat sie es nicht getan«, sagte Vicki. »Wozu auch, wenn keiner mehr wählt, weil die Nutzer im Land umherziehen wie Nomaden! Nomaden haben eben keinen Platz im Wählerverzeichnis. Und sie haben auch keine Distriktslagerhäuser. Keine Stimmen, keine Lagerhäuser, kein Bedarf für einen Distriktsleiter. Aber es war ohnedies nie ein Amt, das unter den Machern selbst irgendeine Machtposition bedeutete.«
»Trotzdem hätte sie der Hauptstadt melden müssen, daß es einen Sonderwahlgang geben muß«, beharrte Lizzie dickköpfig.
Vicki lächelte. »Ich bin immer wieder erstaunt darüber, welche Vorschriften du akzeptierst und welche du willens wärst zu übertreten.«
»Wie?«
»Vergiß es. Obwohl… es ist tatsächlich merkwürdig, daß das System nicht darauf programmiert ist, der Regierung automatisch Todesfälle gewählter Funktionäre zu melden. Aber vielleicht hat es Harrisburg ohnehin benachrichtigt. Was hat Jackson Aranow sonst noch über Ellie Lester gesagt?«
»Nicht allzu viel. Er klang… komisch, als er von ihr sprach.«
»Komisch?«
»Ich weiß nicht. Aber er sagte auch, er würde uns helfen.«
»Wir brauchen ihn nicht«, erklärte Vicki.
»Er kommt trotzdem. Heute nachmittag.«
»Und bringt er wiederum Cazie Sanders, die Grimmige, zu seinem Schutz mit?«
»Keine Ahnung.«
»Ich glaube«, sagte Vicki, »daß du dir etwas Besseres als Jackson Aranow hättest aussuchen können, wenn du schon ein so überwältigendes Bedürfnis hattest, dir einen zweiten Lehrmeister unter den Machern zuzulegen.«
Lizzie antwortete nicht. Sie hielt Dirk im Arm und hoffte, er würde aufwachen und trinken. Dirk kritisierte sie nie. Und er war ein unerschöpflicher Quell der Freude für sie: ein ruhiges, nie quengelndes Baby, das bereits anfing zu lächeln. Mama sagte zwar, das wären bloß Blähungen, aber es waren keine – niemand hatte heutzutage mehr Blähungen! Das war nur typisch Mama: immerzu in Lizzies Freuden herumstochern, gerade so wie Vicki eben jetzt. Sie, Lizzie, würde Dirk das nie antun.
Sie würde ihm nie sagen, daß er unrecht hatte, nie an ihm herummäkeln, nie den scharfen Haken in der Stimme haben, der ein Kind einfing und all seine Pläne aufrollte. Lizzie würde eine perfekte Mutter sein. Sie würde bei ihrem kostbaren Sohn keinen einzigen Fehler machen. Wenn Dirk trank, saugten sich seine dunkelblauen Augen an Lizzies Gesicht fest, sein kräftiger kleiner Körper lag reglos in ihren Armen, und Lizzie hatte das Gefühl, sie würde gleich sterben vor Glückseligkeit. Sie wickelte ihn stets in nicht konsumierbare Tücher, damit sein Körper nicht anderswo Nahrung aufnahm und so die Zeit verkürzte, die er an ihrer Brust verbrachte. Sie würde Dirk nie enttäuschen. Und sie hatte vor, die Welt für Dirk sicherer zu machen – ganz egal, wie sehr Vicki in ihren Plänen herumstocherte!
»Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Vicki. »Da kommt ein Luftwagen.«
Doktor Aranow landete hinter dem Gebäude neben dem Nährplatz. Lizzie und Vicki schlüpften in ihre Overalls – nicht konsumierbar, Jahre alt und ein bißchen zerfranst, aber immer noch warm und leuchtend bunt. Overalls verblichen nie. Der von Lizzie war ringelblumengelb, der von Vicki türkis. Vicki lächelte, als sie ihr Hemd überzog – ein Lächeln, das auf Lizzie amüsiert und überlegen wirkte. Manchmal dachte Lizzie, sie mochte Vicki nicht mehr so sehr wie damals, als sie noch ein Kind gewesen war.
»Lizzie! Miss Turner!« Doktor Aranow stand in der Türklappe des Nährzeltes.
»Ah, der freundliche Onkel Doktor«, sagte Vicki, immer noch lächelnd, und Doktor Aranow wurde rot. Lizzie hatte das Gefühl, daß ihr da irgend etwas entging. Also kam sie direkt zur Sache.
»Doktor Aranow, wir brauchen Ihre Hilfe! Wir haben einen Plan, aber wir brauchen Sie, um ihn ausführen zu können.«
»Das sagtest du schon am ComLink. Wie geht’s dem Kleinen?«
»Dem? Der is’n ganz Süßer.« Lizzie hörte, wie ihre Aussprache sich veränderte, und bemerkte, wie sanft und gefühlvoll die beiden Macher sie ansahen. Vickis Sympathiewerte stiegen wiederum. »Er trinkt wie eine
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