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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Vertreter dieser Kategorie bezeichnen konnte. Ein Jorse war einer, dessen Arbeit sich in Luft aufgelöst hatte, als auch noch die letzte Schreibmaschine aus den Büros verschwunden war. Früher hatte er zum Beispiel als Maschinenzeichner oder Systemkontrolleur an der Spitze der Entwicklung gestanden, sechs Jahre später war er reif für die Müllkippe gewesen oder hatte höchstens noch als Kinderspielzeug getaugt. Im Gegensatz zur elektrischen Schreibmaschine verfügte ein Jorse nicht über ein stabiles Gehäuse und solide Innereien, weswegen er es weniger gut aushält, wenn ein Dreijähriger im Wohnzimmer auf ihm herumhackt. Irgendwann kriegt er zwangsläufig Lust auf ein Bier, auch wenn es ihm gar nicht schmeckt. Ein großes Helles, nein, mach gleich zwei, und dazu einen Kurzen. Der Computer hat diese Leute ersetzt, und anders hätte es auch gar nicht kommen können.
    Usko löffelte sich den Joghurt in den Schlund und hatte das Gefühl, dadurch sein Denken zu beschleunigen. Die Arbeit wird nicht nach China verlagert, weil unanständige Kapitalisten sie dort haben wollen, sondern weil der Verbraucher preiswert einkaufen möchte. Der Kunde will Billig haben, dann gibt es auch Billig, dann wird eben Billig verkauft. Heute hat jeder die Möglichkeit oder die Mittel oder die Solvenz oder wenigstens den Schnellkredit für alles. In dem Bereich funktioniert die Demokratie wahrscheinlich am unumstrittensten: im Billighandel.
    Bot man einem Jorse die Stelle einer Reinigungskraft an, hatte er eine so weiche Leber oder so weiche Knie, dass keine Hoffnung für ihn bestand, mit der Bohnermaschine fertigzuwerden. Ein Jorse war nicht faul wie ein Schlurfer, litt aber unter übertriebener Selbstachtung, die zwar einem Jahrzehnt Suff und dem Abstieg vom Arbeitslosengeld zur Sozialhilfe standhielt, nicht aber dem Aufstieg ins Reinigungsbusiness.
    Die dritte Kategorie, der Usko tagtäglich begegnete, bestand aus lange und gut ausgebildeten Humanisten, die ausschließlich Tätigkeiten in ihrem eigenen Fachbereich akzeptierten. Handelte es sich bei diesem Fachbereich um die Ethnologie und beim Spezialgebiet um die Entwicklung des Spinnrockens auf der Insel Judinsalo und ihren Einfluss auf die metrosexuellen Dandys der finnischen Ritterschaftsgüter in den 1780 er Jahren, war Usko machtlos. Bot man solch hochgebildeten Leuten die Stelle einer Reinigungskraft an, wollten sie wissen, ob sie es nun mit einem klassischen Paradox, einer Metapher oder einer Stigmatisierung zu tun hatten. Anschließend verzogen sich die Humanisten mit ihren Umhängetaschen ins vegetarische Restaurant gegenüber, um auf ein Stipendium zu warten, das nie kommen würde. Stattdessen kam die Verbitterung.
    Usko klappte den Joghurtdeckel zu, stellte den Becher auf die Fensterbank und wischte sich den Schnurrbart. Dann räusperte er sich, stand auf und öffnete die Tür. Im Wartebereich auf dem Gang saß ein Mensch.
    »Hereinspaziert«, sagte Usko Rautee, ohne den Menschen anzuschauen. Dann erst setzte er die Brille auf und weckte den Computer aus dem Ruhezustand.
    Usko lächelte den Klienten an, das war stets der Ausgangspunkt. Jeder Mensch ist eine Möglichkeit, zumindest für sich selbst. Für das System ist jeder Mensch die Möglichkeit, ihn aus dem System zu entfernen.

Vor Usko Rautee saß ein müder, mitgenommener, aus seiner festen Anstellung entlassener Mann, dem jede Arbeit recht war und der einiges an Berufserfahrung auflisten konnte: das Bauen von Häusern, das Hüten von Tieren und das Anfertigen von Scherenschnitten an der Stelle in Bukarest, an der die Parkstraße auf den Ceausescu-Platz stieß. Einer, der schnell lernte und sich selten beschwerte. Keine Zeugnisse oder Referenzen, aber Vatanescu schnappte sich die Schere vom Schreibtisch und aus dem Drucker ein leeres Blatt Papier und brachte innerhalb weniger Sekunden als Arbeitsprobe einen Scherenschnitt zustande, der Usko Rautee ziemlich ähnlich sah. Dieser wollte wissen, ob Vatanescu außer zu kreativem Basteln auch zu anderem bereit sei, ob er für richtige Arbeit zu haben wäre.
    Ihr könnt es euch leisten, die Arbeiten in richtig und falsch aufzuteilen.
    Vermiete meinen Kopf, meine Hände, meine Beine für acht Stunden, setzt dafür einen Preis fest und rechnet am Ende des Tages mit mir ab! Ich will Stollenschuhe.
    Usko Rautee tippte Vatanescus Angaben in den Computer und drückte auf Enter. Das System kannte keinen Vatanescu. Usko schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin, was der Apparat

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