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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Stundenlohn von zwanzig Euro, der dort gezahlt wurde.
    Vatanescu nickte den jungen Leuten zu und nahm einen Schluck Wasser.
    Versuche auszusehen wie ein Anzugmann!
    Rede wie ein Anzugmann!
    Erfinde dir ein Leben!
    Das Kaninchen mümmelte unter Vatanescus Achsel geriebene Karotten.
    Aus Streckenkarte und Preistabelle schloss Vatanescu, dass seine Fahrt spätestens an der dritten Haltestelle endete, falls er es nicht bald schaffte, die Reisefinanzierung zu regeln. Er durchsuchte möglichst auffällig alle Taschen von Jacke und Hose, als müsste darin etwas sein, das nun verschwunden war. Dazu musste er einen Gesichtsausdruck von echter Überraschung aufsetzen, denn mit Gesten zu lügen war noch schwieriger als mit Worten.
    Ökö, ein Touristikstudent im ersten Jahr und Freund von Cannabisprodukten, musterte den neben ihm sitzenden Ausländer. Der hatte Plastiktüten dabei, die erschütternd gut rochen. Da konnte nichts anderes als das chinesische Zeug drin sein, auf das man Lust hatte, wenn man zwei Gramm geraucht hatte.
    Was tut ein Anzugmann, wenn man ihm Portemonnaie und Telefon gestohlen hat?
    Vatanescu ruckte und zuckte mit den Schultern, breitete die Arme aus und wartete, dass einer der jungen Leute ihn fragte, was los sei. Schließlich war es Minttu, die ihn fragte, Jonttus Klassenkameradin und potenzielle Freundin. Letzteres stand noch nicht endgültig fest, denn Minttu war sich nicht sicher, ob sie auf Jonttu oder auf Ökö stand oder überhaupt mehr auf Mädchen. Warum sollte man sich innerhalb eines Jahres für eine Haarfarbe, die sexuelle Orientierung, das Studienfach, die Lebenseinstellung und die Partei, die man wählte, entscheiden müssen? Ein Jahr im Erzbergwerk würde ihr helfen, die größten Entscheidungen des Lebens ein für alle Mal zu fällen, anstatt es sich dreimal am Tag neu zu überlegen, wie in ihrem Alter üblich.
    »Something wrong?«
    Vatanescu räusperte sich und schluckte; er konnte nicht lügen.
    Begib dich in den Randbereich der Wahrheit. Variiere sie!
    Vatanescu erzählte, er habe seine Bankkarte verloren. Dabei stützte er sich auf die Erinnerung an den Verlust einer Postkarte im Jahr 2002 in Timisoara. Er sagte, ihm sei auch das Handy abhandengekommen, und das war ihm tatsächlich passiert, denn er hatte es Jegor für eine Packung Haferflocken verkauft.
    Tempo, die richtigen Worte, Überzeugungskraft!
    Und ans Ende einen Clou.
    Vatanescu fragte, wann der Schaffner komme, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Er könne nicht unterwegs aussteigen, um den Sachverhalt zu klären, denn im Norden warte eine Menge Arbeit auf ihn, und es ginge an diesem Tag kein Flieger mehr. Ökö sagte, der Schaffner komme vor dem Bahnhof Vantaa-Tikkurila, also in ungefähr fünfzehn Minuten.
    Beruhige die Situation. Nicht drängen. Keinen Druck machen.
    Vatanescu fragte die jungen Leute, wohin sie fuhren.

    Jonttu hatte auf der Landkarte alle vorhandenen und geplanten Bergwerke auf finnischem und schwedischem Gebiet eingezeichnet. Außerdem besaß er einen Stoß Blätter, die er vor der Reise ausgedruckt hatte: Pläne, Informationen, Firmenhintergründe. Hinzu kam sein fester Glaube. Sollte es beim ersten Unternehmen nicht klappen, dann aber garantiert beim dritten. Es musste dort oben einfach Arbeit geben. Vatanescu zog nun seinerseits die Nationalparkkarte, die Ming ihm gegeben hatte, aus der Tasche und zeigte den anderen sein Ziel.
    Die richtigen Worte finden. Einzelheiten!
    Er legte den Finger auf einen Kreis, in dem sich der beste Moltebeerensumpf befinden sollte.
    Rohstoffhandel
.
    Wie sich herausstellte, lag Vatanescus Ziel gar nicht so weit vom Ziel der jungen Leute entfernt, und das Gleiche galt auch für seine und ihre Absichten.
    Naturreichtümer, vorläufige Untersuchungen.
    »Im Nationalpark?«
    Wo auch immer. Wenn ich finde, was ich suche, wird mich nichts mehr aufhalten.
    Die Jugend sah den glattwangigen Anzugmann an und tauschte dann untereinander Blicke.
    »Was soll es denn da geben? Gold?«
    »Diamanten?«
    »Öl?«
    Etwas Gelbes. Kostbares.
    Sie wollten wissen, für welche Firma Vatanescu arbeitete und in welcher Position.
    Wenn du Namen nennst oder zu genaue Beschreibungen lieferst, fliegst du auf.
    Denk an die Anzugmänner. An die erste Klasse.
    Erzähle nur das Nötigste. Aber trage nicht so dick auf, dass du dich gleich wieder herausreden musst. Wer Ausflüchte braucht, fliegt auf.
    Vatanescu erzählte, er arbeite zunächst auf eigene Rechnung und verkaufe anschließend

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