Bettler und Hase. Roman
er die Sprache nicht verstand.
Das musste er auch nicht, denn er verstand das Bild.
»Es haute mich um. Da guckt mir doch der Torfkopf von Vatanescu direkt in die Augen.«
»Vatanescu aus Rumänien bekommt nicht mal den Mindestlohn und wohnt unter menschenunwürdigen Bedingungen. Vergessen die Großkonzerne den Einzelnen und die Natur? Ist das der Preis der Globalisierung?«
Ilta-Sanomat
»Sämtliche Baumaßnahmen im Nationalpark werden unterbrochen, bis alle Fragen des Naturschutzes und des Arbeitsrechts gesetzlich geklärt sind.«
Ilta-Sanomat
»Im Bereich der Baustelle ist eine seltene Kaninchenart entdeckt worden.«
Ilta-Sanomat
»Unklarheiten bei der Finanzierung des National-Idea-Parks. Arbeiter des National-Idea-Parks erhielten ihren Lohn in Form von Kilometergeld, Spesen und Maschinenleihgebühr.«
Ilta-Sanomat
»Kerkko Kolmonen zur Fahndung ausgeschrieben. Er wurde zuletzt in Pattaya gesehen.«
Ilta-Sanomat
Sorry, Jungs, sagte der einzige Vertreter der Arbeitgeberseite, der es gewagt hatte, auf der Baustelle zu bleiben. Er musste Vatanescu, Urmas Öunap, Goodluck Jeffersson sowie siebenundachtzig weitere polnische, russische, finnische und ghanaische Bauarbeiter von ihrer Arbeit und ihrem Einkommen freistellen.
Die Kasse war leer, das Arbeiten verboten, das Projekt für die nächsten Jahrzehnte auf Eis gelegt worden, und die Naturschutzorganisationen hatte man auch auf dem Hals. Die einzige Beschäftigungsmöglichkeit bestand darin, die geschleiften Fjälls wieder aufzuschütten.
»Wir melden uns«, sagte der Vertreter der Arbeitgeberseite. »Ihr braucht nicht ständig anzurufen.«
Dreitausend Euro ausstehender Lohn.
»Sehe ich so aus, als hätte ich Bargeld bei mir?«
Dreitausend fehlen.
Die Stollenschuhe fehlen.
»Hatten wir einen Vertrag? Wenn ich mich recht erinnere, nein. Falls doch, fragt eure Versicherung nach dem Einkommensschutz.«
Nachdem er das gesagt hatte, versuchte der Mann zu entkommen, rannte aber direkt einem Polizisten in die Arme, der sofort die Handschellen zuschnappen ließ und ihn freundlichst auf die Rückbank eines Ford Mondeo setzte. Die Vertreter der Amtsgewalt versprachen, wiederzukommen, um den Rest zu holen, sobald die Führungsleute in Verwahrung gebracht waren. Dann würden bei den gewöhnlichen Arbeitern die Personalien und die Arbeitserlaubnis überprüft, und wenn es bei einem Unklarheiten gäbe, käme er in die nächste Zelle.
Nichts wie weg!
Geh deinen Weg, wohin er dich auch führt.
Bis zum Ende.
Vatanescu, Jeffersson und Öunap rannten zu ihrer Hütte. Dort hieß es: Schnell das Kaninchen unter die Achsel, die Sachen in die Sporttaschen geworfen und dann auf dem Wanderweg aus dem Nationalpark hinaus!
Nachdem sie sich zehn Kilometer weit durch den Tiefschnee gekämpft hatten, machten sie an der nächsten Wildmarkhütte halt und aßen etwas. Goodluck Jeffersson riss mit seinen starken, blütenweißen Zähnen eine Packung Würstchen auf, Öunap spitzte mit dem Teppichbodenmesser Stöcke an, und Vatanescu machte Feuer. Während seiner Zeit im National-Idea-Park hatte er das richtige Verhältnis von Rinde, Spänen und Zweigen gelernt, konnte mit dem Zeigefinger die Windrichtung feststellen und wusste, wie man Streichhölzer spart.
Es war still, auf den Gesichtern der Männer flackerte das Licht des Feuers, die Wursthäute platzten auf, zischend troff Fett in die Glut. Auf die Würste drückten die Männer den Senf aus der gelben Tube, den sie während ihrer Zeit auf der Baustelle schätzen gelernt hatten. Das Kaninchen wurde von Mann zu Mann weitergereicht, jeder kraulte es eine Weile, und so verschwand dank des Kaninchens die Düsternis aus der Stille und ließ eine Spur Hoffnung zurück.
Am nächsten Morgen setzten sie schweigend ihre Route durch den Schnee fort, bis sie auf die Landstraße Nr. 79 stießen. Dort trennten sie sich. Zuvor musste natürlich erst eine Weile verlegen gewitzelt werden, das war unumgänglich, schließlich hatte man das Ende eines gemeinsamen Weges erreicht. Außerdem schätzten und achteten sich die Männer gegenseitig. Es war etwas Kameradschaftliches zwischen ihnen, sie hatten eine Hütte und kalte Arbeitstage miteinander geteilt, das schweißte zusammen. Alle wollten los, bevor die erste Träne über die Wange rann oder die Stimme versagte. Also bedienten sie sich eines männlichen Hilfsmittels, das sich quer durch die Weltgeschichte als probat erwiesen hatte: des Humors.
Öunap schlug vor, eine
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