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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Männer-Striptease-Gruppe zu gründen, so wie die arbeitslosen Männer in dem einen Film. Goodluck Jeffersson meinte, das sei nicht möglich; sein Glaube, Vatanescus Körperbau und Öunaps Rhythmusgefühl sprächen dagegen.
    Macht es gut!
    Falls es sein soll, sehen wir uns wieder.
    Und so ging Goodluck Jeffersson nach Westen, weil er glaubte, dort ein Skizentrum, eine Frau und eine Familie zu finden, auch wenn ihn sein Weg ebenso gut nach Vittumaisenoja am Schweinebach oder nach Läähkimäkuru an der Schmatzerschlucht hätte führen können. Urmas Öunap wandte sich nach Osten, um Plan B in die Tat umzusetzen. Er hatte aus seiner Schulzeit neben schlechten Erinnerungen auch Russischkenntnisse mitgebracht, die er noch nie gebraucht, sondern zu vergessen versucht hatte. Hier im Norden war Russisch aber inzwischen ein starker Trumpf auf dem Arbeitsmarkt, vor allem als Wildmarkführer oder Ferienhausvermieter, denn die gesamte, ständig wachsende Mittelschicht des endlosen Russlands strömte über die Ostgrenze und war zunehmend scharf darauf, ihr Geld zu verbrennen.
    Und wo soll ich hin?
    Vatanescu machte sich aus dem Bauch heraus auf den Weg nach Süden, in Richtung Kolari, denn er glaubte, dass es im Norden für ihn nichts mehr zu holen gab, nicht einmal Stollenschuhe. Bis zur nächsten Beerensaison dauerte es ein halbes Jahr, bis zur Wiederbelebung der Rentierzucht verginge eine Generation, wenn nicht zwei.

    Vatanescu ging Berge hinauf und hinunter, stapfte über Motorschlittenstrecken, passierte die Beherbergungs- und Verköstigungsbetriebe von Äkäslompolo, kam an halbfertigen Feriendörfern vorbei, wo mit Schnee bedeckte Hohlbetonsteine, Styroporplatten und Kieshaufen auf den Frühling warteten.
    Und dann stand er plötzlichen mitten auf einer geraden Straße vor einem Auto, das er kannte. Thomas Weissbiers Volvo XC 90 rostete noch immer an der Stelle vor sich hin, wo Vatanescu ihn zurückgelassen hatte. Offenbar hatte sein Besitzer lieber die Entschädigung für das gestohlene Exemplar genommen und sich ein funkelnagelneues gekauft. So ist die Welt, jeder Gegenstand hat einen Kaufwert, einen Verkaufswert, einen Versicherungswert, einen Wiederverkaufswert, einen Gefühlswert, einen Diebstahlswert, einen Schrottwert und einen Tauschwert.
    Besitze ich etwas, für das irgendjemand etwas bezahlen würde?
    Was kann ich zum Tausch anbieten?
    Womit kann ich etwas versichern?
    Habe ich einen Wert?
    Vatanescu machte die Fahrertür auf und versuchte, den Wagen zu starten. Kein Mucks, nur Stille und dampfender Atem vorm Gesicht.
    Das Kaninchen sprang aufs Armaturenbrett und taute mit seinem bisschen Wärme ganz langsam die vereiste Windschutzscheibe auf. Als es durch die entstandene Öffnung nach draußen schauen konnte, beugte sich Vatanescu ganz dicht an es heran. Und während sie das leichte, unverwechselbare Atmen des anderen spürten, wuchs das Loch im Reif nach und nach, sodass sie bald die gesamte, vom Mond erleuchtete verschneite Welt durch die Windschutzscheibe sehen konnten.

Jegor Kugar brauchte einen Computer und einen Internetanschluss, hatte aber kein Geld, und Naseem Hasapatilati wollte ihre Freundschaft nicht mit Darlehensverträgen belasten. Da erinnerte sich Jegor daran, wie seine ehemaligen Arbeitskräfte ihre Freier über Internetdienste gesucht hatten, und schleppte sich in die Vaasankatu, um dort an einer Tür zu läuten. Das heißt, genau genommen kletterte er über die Feuerleiter auf den Balkon und stieg durch die Balkontür ein. Die ehemalige Arbeitskraft hieß Natascha, hatte gerade einen Kunden im Bett und einen Laptop von Toshiba auf dem Nachttisch. Jegor befahl ihr, die Stellung und den gelangweilten Gesichtsausdruck beizubehalten, dem Kunden, das rote Gesicht, die Verblüffung und die Erektion. Dann schnappte er sich den Toshiba und huschte wie eine Ratte wieder auf die Straße.
    »Die Schlampe rief von oben hinterher, es würde mir noch an den Kragen gehen. Alle wüssten, dass ich keinen Millimeter Macht mehr hätte.«
    Jegor kannte seine Lage freilich selbst. Er wusste, dass er schon immer außerhalb der Gesellschaft gestanden hatte, dafür aber unter seinesgleichen in einer relativ guten Position war. Jetzt befand er sich im freien Fall auf dem Weg in ein Auffangnetz, das Löcher hatte, die Tag für Tag größer wurden. Jegor Kugars gesamte berufliche Laufbahn hatte darauf beruht, dass er Angst auslöste, die wiederum Respekt erzeugte. Jegor war der Wolf gewesen, die anderen die

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