Bettler und Hase. Roman
südamerikanischen Liedermacher Alfonso Parilla.
In den zwei Monaten, in denen Öunap, Jeffersson und Vatanescu im Höllentempo ein Geschoss nach dem anderen hochzogen, plante die Natur-Mili-Organisation ihre Reise in den Norden. Als Vatanescu am Ende eines weiteren, erst kalten, dann schweißtreibenden Tages seinen Kopf aufs Kissen legte, fuhr die Natur-Mili-Gruppe los. Den Lieferwagen hatten sie in der Nähe des Hafens bei einem zwielichtigen, einohrigen Russen gekauft.
Vatanescu wusch sich jeden Tag bei Sonnenaufgang am Fjällbach das Gesicht, schlug sich zweimal auf die unrasierten Wangen und war danach bereit, an der Einkaufswelt weiterzubauen. Die Rentiere, die sich ebenfalls die Morgensteife aus dem Leib prusteten, leisteten ihm Gesellschaft.
Als Vatanescu eines Tages zum Abschluss seiner Morgentoilette in den Schnee urinierte und dazu die Melodie pfiff, die er zusammen mit Harri Pykström gesungen hatte, verstummte nach dem Abschütteln des Penis sein Pfeifen abrupt.
Vor ihm standen in drei Reihen Menschen, die mit Handschellen und Kabelbinder an Arbeitsgeräte gefesselt waren. Die Natur-Mili-Gruppe fing rhythmisch zu skandieren an:
»Na-tio-nalpark schüt-zen!!!«
Und dann kam der unfassbare Satz:
»Va-ta-nes-cu schüt-zen!!!«
Vatanescu zwickte sich in den Bauch. Doch, er war wach. Iina Rautee rief ihm zu, er solle zu den Demonstranten kommen.
»Wir retten dich«, rief sie. »We save you!!!«
Danke.
Oder eher nein danke.
Ich bin schon mal gerettet worden.
Glaubte an was und stellte Forderungen.
Schnitt mit dem Messer die Zeichen der Diktatur aus unserer Landesflagge.
Auch das sollte die Freiheit sein.
Inzwischen knatterte über ihnen ein Hubschrauber, an dem ein Kameramann hing. Vatanescu sah nach oben, es wurden immer mehr Hubschrauber, wie in »Apocalypse now«, sowohl öffentlich-rechtliche als auch werbefinanzierte.
Die Freiheit kam aber nicht. Stattdessen kam der Mädchenhandel. Es kamen Schnapskioske. Es kamen Hamburger-Restaurants und Investmentfirmen. Es kam der Aufbruch hierher, mitten in euer Irgendwo.
Iina Rautee schnurrte vor Genugtuung, denn die Bilder gingen auch an CNN und würden dadurch bis in alle Ecken der Welt verbreitet werden. Aktivismus now! Jetzt! Und im Zentrum stand Vatanescu, gefilmt von allen acht Kameras. Eine zoomte auf die Augen, die braunen Knöpfe, in denen Verblüffung und Überdruss lagen.
Ihr wisst nicht, was ihr tut.
Ihr macht alles kaputt.
Vatanescu wandte sich ab und versuchte, seinen Weg fortzusetzen.
Geht weg!
Nun macht schon!
Ich schließe die Ohren, geht weg, ich schließe die Augen, bleibt fort. Ich gehe.
Beim Umdrehen stieß Vatanescu mit einem bereits gelandeten Filmteam samt Sportreporter zusammen, der auf die Schnelle von einem Skirennen abberufen worden war, bei dem durchaus Finnen unter die ersten acht hätten kommen können, es am Ende aber doch nicht geschafft hatten. Sofort hatte der Reporter die erste Frage an Vatanescu parat:
»Wie fühlen Sie sich?«
Hat man denn nirgendwo seine Ruhe?
Vatanescu versuchte den Mann wegzuschieben. Als dieser nicht wich, machte Vatanescu einen Satz zur Seite. Und landete direkt in Iina Rautees Arme. Sie zog ihn neben sich, und da stand unser Held dann, am absolut falschen Ort, wie Charlie Chaplin, und ein Brett, geschwungen von den Händen eines großen Mannes, kracht ihm auf den Hinterkopf, und dieses Brett ist die Welt.
Fremde Hände ergriffen Vatanescus Hände und versuchten ihn mit Kabelbinder zu fesseln, der Sportreporter hielt ihm das Mikrofon vor den Mund, ein Kamerateam des Finnischen Rundfunks rannte herbei, dann eines von Saamen Radio, ein drittes von Sixty Minutes, und mittendrin blitzte auch die Pelzmütze der Reporterlegende Hannu Karpo auf.
Mir wäre es lieber, ihr würdet nicht so eine Show abziehen.
Lieber sachlich bleiben.
Die Demonstranten zogen Vatanescu einen Regenumhang über den Arbeitsoverall, auf dessen Vorderseite »Natur-Mili« stand und auf dessen Rückseite gewaltsame Maßnahmen zur Verhinderung von Naturzerstörungen gefordert wurden sowie die Ermordung der Führer der G 8 -Länder oder zumindest ihre unverzügliche Umschulung. Vatanescu riss sich los.
Kaninchen!
Lauf!
Unterdessen ging Jegor Kugar in Helsinki die Hämeentie entlang, wo der Wind aus mindestens sechs Richtungen gleichzeitig wehte. Es war acht Uhr, und Jegor wusste nicht, ob am Abend oder Morgen, denn das hatte keinerlei Bedeutung.
»Ich habe mich in Penistan nicht über die natürlichen
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