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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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umgehend heimkommen solle. Ich schrieb zurück, daß ich keine Ahnung von Büroarbeit hätte und es überdies fünf Meilen bis zur nächsten Autobushaltestelle seien. Die Antwort darauf war ein Telegramm: «Jeder kann Büroarbeit leisten und denke an die Weißrussen, die quer durch Sibirien marschierten. Du trittst Montag Deine neue Stellung an.»
    Es war spät an einem Freitagnachmittag, und es regnete in Strömen, als ein Nachbar mir das Telegramm brachte, aber ich studierte den Fahrplan der Autobuslinie, schmückte die Kinder und mich mit unseren «Stadtkleidern», stopfte meine silberne Fischgabel, den Ring; den ich zur Feier meines Abschlußexamens bekommen hatte, und was ich sonst noch an persönlichen Habseligkeiten besaß, in einen Koffer, schrieb ein paar aufklärende Zeilen an meinen Mann und trabte dann, die dreijährige Anne an der Hand führend und die anderthalbjährige Joan und den Koffer tragend, zur Autobushaltestelle. Laut Fahrplan fuhr der nächste Autobus nach Seattle um sechs Uhr.
    Der Weg gestaltete sich nicht gerade einfach. Die Straße wand und bog sich an einem ausgetrockneten Flußbett entlang; stellenweise war sie von Gestrüpp überwachsen oder ringelte sich in schmalem Streifen um Regenlachen, die zu kleinen Teichen angeschwollen waren, und nie stellte sie die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten dar. Versuchten wir den Teichen auszuweichen und kämpften uns durch das Gestrüpp am Wegrand, so sanken wir bis zu den Knöcheln in die aufgeweichte Erde ein, und die Beerenranken langten angriffslustig nach meinem einzigen Paar Seidenstrümpfe. Alle nasenlang mußte ich stehenbleiben, meine klamm gewordenen roten Finger vom Griff des Koffers lösen und seinen sowie Joans Gewicht auf den andern Arm verlegen. Alle halben Meilen setzten wir uns zum Verschnaufen auf einen Baumstumpf oder einen gefällten Stamm am Weg. Nach der dritten Rast hatten unsere Kleider die gleichmäßige Feuchtigkeit von Wäsche, die man am Vorabend des Bügeltages eingesprengt hat.
    Die Kinder waren heiter und unbekümmert, und ich stapfte mit der Zähigkeit einer Besessenen unverdrossen vorwärts, unbekümmert um Regen, Feuchtigkeit und glitschige Straßen. Für mich war dies der Weg aus der eintönigen Regenlandschaft und der entsetzlichen Einsamkeit der Farm hinaus zur Wärme und Heiterkeit meiner Familie, und nun, da ich mich zum Anlauf aufgerafft hatte, wären keine zehn Pferde mehr imstande gewesen, mich aufzuhalten, und ich wäre unbeeindruckt von Sturm und Regen die endlos scheinende Straße weitergelaufen, auch wenn ich außer Joan und dem Koffer noch auf jeder Schulter einen strammen Weißrussen hätte tragen müssen.
    Kurz bevor wir die große Landstraße erreichten, stießen wir auf ein paar verstreute Kühe und einen Jerseybullen, die die gesamte Breite der Straße einnahmen. Normalerweise hätte ich mich auf einen Zaun geflüchtet oder zumindest einen Umweg von einer halben Meile gemacht, denn vor Bullen – und insbesondere Jerseybullen – hatte ich eine Heidenangst. Doch an diesem Tage war ich gefeit.
    «Mach, daß du wegkommst!» schrie ich den erstaunten Bullen an, und meine kleine Anne wedelte mit dem Zweig in ihrer Hand und piepste mir nach «Mach, daß du wegkommst!», worauf der Bulle sich kopfschüttelnd ob unserem Benehmen zur Seite trollte. Hätte er sich nicht so einsichtig gezeigt, ich glaube, ich wäre imstande gewesen, ihm eins mit der Faust auf die Nase zu versetzen.
    Als wir endlich die Landstraße erreichten, setzte ich die Kinder auf den Koffer und horchte angestrengt auf das Rumpeln des Autobusses. Ich wußte, daß ich mich auf mein Gehör verlassen mußte, denn die Straße führte mitten durch das grüne Dickicht des Landes und war von einem Straßenbauer angelegt worden, der anscheinend der Meinung gewesen war, es sei für die Straßenbenützer eine besondere Freude, bergauf und bergab, in spitzen Winkeln um Felsblöcke herum, hinunter in die Höfe der verstreuten Farmen und in der nächsten Sekunde wieder steil hinauflaufen zu können. Da, wo ich stand und den Autobus abzufangen hoffte, würde er nur für Sekunden zu sehen sein, nämlich gerade dann, wenn er an Mr. Hansens Farm vorbei steil den Hügel hinaufkam und sofort einschwenkte und hinter einem Felsmassiv in der Richtung von Mr. Hansens Weizenfeld verschwand.
    Ich wußte, daß ich dem Chauffeur genau dann Zeichen geben mußte, wenn die Autobusnase hinter Mr. Hansens Ställen auftauchte. In meinem Übereifer signalisierte

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