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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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noch nach Veilchen, und Mary glaubte immer noch steif und fest, daß jeder alles konnte, vorausgesetzt, er brachte die nötige Willenskraft auf. «Betty kann alles», lautete auch jetzt noch ihr Wahlspruch.
    «Es heißt, wir gehen einer Wirtschaftskrise entgegen», meinte ich gegen drei Uhr früh, als Mutter, Mary und ich um den Tisch in der Frühstücksnische saßen und Kaffee tranken und heißes Zimtbrot aßen, «und es soll sehr schwer sein, eine Stellung zu finden.»
    «Ach wo», wehrte Mary ab, «es gibt genug Stellungen, laß dir doch nichts weismachen. Ich muß es wissen, denn ich besorge allen meinen Freunden Stellungen. Nein, der Fehler liegt bei den Leuten, die Stellungen suchen. Sie hocken daheim, ziehen die Decke über die Ohren und warten darauf, daß ein Arbeitgeber angekrochen kommt und sie anfleht, doch eine Stellung bei ihm anzunehmen. Wozu zerbrichst du dir überhaupt den Kopf? Du hast doch eine Stelle. Du bist Privatsekretärin bei einem Mineningenieur.»
    «Aber Mary!» rief ich entgeistert. «Ich habe keine Ahnung von Stenographie, und wenn's hoch kommt, schaffe ich zwanzig Wörter in der Minute auf der Maschine.»
    Mary setzte ihre Kaffeetasse ab, daß es klirrte, und blitzte mich mit ihren Bernsteinaugen an. «Laß die neunzig fehlenden Wörter in der Schreibmaschine und die hundertfünfzig in Stenographie den grauen Mäusen, die auf diese Art von Beschäftigung versessen sind. Du hast Glück, Mädchen. Du hast Grütze im Schädel. Nutz das aus. Tritt auf wie die personifizierte Tüchtigkeit, und du wirst wie die personifizierte Tüchtigkeit behandelt.» (Und für gewöhnlich bald gekündigt, vergaß sie hinzuzusetzen.)
    Es tat gut, dies zu hören, obwohl ich mich des Gefühles nicht ganz erwehren konnte, mich nicht als personifizierte Tüchtigkeit, sondern als der Maustyp zu erweisen, sobald es galt, die Probe aufs Exempel zu machen. Nur wenn ich so tüchtig im Stenographieren wurde, daß ich sogar die Gedanken meiner Chefs zu notieren imstande war, würde ich mich selbst in ganz gewöhnlichen Stellen halten können.
    «Ich habe mir vorgenommen, Abendkurse zu besuchen», erklärte ich Mary.
    «Gar nicht nötig.» Mary winkte überlegen ab. «Du brauchst Übung und Selbstvertrauen, und das lernst du in keinem Abendkurs. Hast du dir schon mal angesehen, was im allgemeinen in diesen Abendkursen herumsitzt? Nicht der personifizierte Tüchtigkeitstyp, das kannst du mir glauben. Und jetzt geh schlafen und laß dir wegen der Stenographie keine grauen Haare wachsen. Ich werde uns immer Stellungen verschaffen, und ganz gleich, was für eine Arbeit zu leisten ist, ich werde dir schon zeigen, wie du's machen mußt.»
    So lauteten Marys Reden daheim. In der Geschäftswelt pflegte sie zu sagen: «Sagen Sie mir nur, um was für eine Stellung es sich handelt, und ich habe eine Schwester bei der Hand, die gerade das kann.» Und bis Dede und Alison alt genug waren und Mary eine Möglichkeit ausgedacht hatte, sogar Mutter in ihr Arbeitsbeschaffungsprogramm einzubeziehen, war ich die Schwester, die immer genau das konnte, was gerade verlangt wurde.
    Von zwei Uhr nachmittags am Sonnabend bis zwei Uhr früh am Montagmorgen war das Haus voll von Leuten. Mary neigte dazu, intellektuell zu sein, und da sie sehr beliebt war, setzte sich ihre Freundesschar aus Musikern, Komponisten, Schriftstellern, Malern und Lesern langweiliger Bücher sowie Mauerblümchen mit geistigen Interessen zusammen. Sie schraubten den oberen Teil des Klaviers ab und spielten auf den Saiten; sie setzten sich mit Vorliebe mit verschränkten Beinen auf den Boden und lasen laut Gedichte von Baudelaire, John Donne und Rupert Brooke vor; sie ließen die Platten auf dem Grammophon in ohrenbetäubender Lautstärke laufen und diskutierten hitzig über Symphonien und Politik und den Zustand der Welt und versuchten vergebens, Mutter davon zu überzeugen, daß sie ihr geistiges Niveau prostituiere, wenn sie die Saturday Evening Post lese. Mutter sagte: «Wirklich?» und kümmerte sich nicht um ihre Reden.
    Anne und Joan waren begeistert über den Betrieb und das Gelächter und die vielen Leute, und als ich sie Samstag abend zu Bett brachte, sagte Anne: «Ach, Betty, Familie ist doch etwas zu Schönes!»
    Am Sonntagnachmittag rief Marys neuer Chef, ein Mr. Chalmers, von New Orleans aus an und sprach fast eine Stunde mit ihr am Telefon.
    «Endlich habe ich einen idealen Posten für mich gefunden», rief sie selig, als sie den Hörer einhängte.

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