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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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meine Tasse und sagte: «Ich mag Kaffee, aber Kaffee mag mich nicht. Verstopft mich radikal. Ohne Kaffee klappt es wie ein Uhrwerk, aber eine Tasse Kaffee, und aus ist's für Wochen mit der Regelmäßigkeit.» Sie hielt ihr eines Auge starr auf mich geheftet, und ich war mir nicht im klaren, ob ich ausrufen sollte: «Gelobt sei sein Name! Gelobt sei sein Name!» oder ob sie erwartete, nun von mir eine Reihe von Nahrungsmitteln aufgezählt zu hören, die mich verstopften. Da ich aber, wie gesagt, nicht recht wußte, was am Platze gewesen wäre, lenkte ich ab und meinte: «War das nicht komisch, vorhin im Autobus, wie die dicke Indianerin sich am Boden wälzte?»
    Mrs. Johnsons Nasenflügel blähten sich vor Empörung. «Ich werde diesen Chauffeur anzeigen. Er hat den Namen des Herrn in lästernder Weise in den Mund genommen!»
    «Er hat doch so ein scheußliches Furunkel am Hals», suchte ich sie zu beschwichtigen. «Das ist nur das Gift, das aus seinem Körper dringt», entgegnete sie unerbittlich. «Lästerung ist ein Stachel im Auge des Herrn, und der Chauffeur wird angezeigt.»
    Als wir nach ungefähr einer Stunde das andere Ufer erreichten und die Reisenden wieder in den Autobus kletterten, bemerkte ich voller Schadenfreude, daß der einzige Platz, der der zu spät kommenden Mrs. Johnson blieb, sich neben den mittlerweile noch viel betrunkeneren und lärmigeren Indianern befand. Ihr Gehaben war ganz dazu angetan, nicht nur ein Stachel in den Augen Gottes, sondern auch in denen der Mrs. Johnson zu sein.
    Es war dunkel, und es regnete noch immer, als wir in Seattle ankamen. Die Kinder schliefen an mich gelehnt, und ich mußte wohl auch eingedöst gewesen sein, denn als ich die Augen aufschlug, leuchteten um mich rote und gelbe und grüne und blaue Lichter wie am 4. Juli, und wir waren mitten in Seattle. Die grellen Lichter schienen die Nacht in tausend Stücke zu reißen. Ich hatte vorher noch nie Neonlichter gesehen. Sie mußten sich während der Jahre, die ich auf der Farm in der Einsamkeit lebte, eingebürgert haben. Die Welt schien ganz verändert. Anstatt trüber kleiner elektrischer Lämpchen, die das Wort Restaurant oder Café formten, zuckten und flammten jetzt Lichtspiralen in allen Farbtönen auf. Die Autobushaltestelle war förmlich in Licht gebadet. Portland, San Franzisko, New York, Bellingham, Walla Walla leuchtete es in warmem Rot. Wie heiter und fröhlich und lebendig hier alles wirkte! Welch herrlicher Gegensatz zu dem jahraus, jahrein gleich eintönigen Blick aus den Fenstern der Farm auf die dunkle, regennasse, einsame Gegend!
    Die Kinder waren erwacht, und die vorbeiflitzenden Lichter spiegelten sich in ihren schlaftrunkenen, glänzenden Augen. Und dann tauchten plötzlich die Gesichter von Mary und Dede vor den Fenstern auf, und das war das Schönste von allem, der Höhepunkt der Freude, die pièce de résistance des ganzen Vergnügens sozusagen.
    Sachlich gesehen war Mutters Acht-Zimmer-Haus in der Nähe der Universität ein einfaches Wohnhaus in einer anständigen Gegend, in der Nähe guter Schulen und gerade recht für eine Durchschnittsfamilie. In meinen Augen bildete unser Heim – und nicht nur damals, auch jetzt noch – mit der einladenden Veranda, dem dunklen Fachwerk, der geräumigen Küche, dem vom Kaminfeuer beleuchteten, mit Büchern angefüllten Wohnzimmer, den vier Schlafzimmern – von denen eines immer eiskalt war – den großen, altmodischen Badezimmern und dem solide ausgebauten Keller den Inbegriff aller Gemütlichkeit, familiärer Wärme und Behaglichkeit. Es liegt an Mutter, die mit einem Klappstuhl und einer einzigen Kerze selbst den Nordpol gemütlich zu machen verstünde, und es liegt an der Herzlichkeit und dem Zueinandergehörigkeitsgefühl einer großen Familie.
    Es ist ein wunderbares Gefühl, daß man zu jeder Tages- und Nachtzeit und woher es auch sei, einfach kommen und die Türe öffnen und daheim sein kann. Die anderen rücken zusammen, bis man sein Plätzchen gefunden hat, und von dem Augenblick an wird einfach alles miteinander geteilt. Wenn man sein Geld, seine Kleider und seine Nahrung mit Mutter, Bruder und drei Schwestern teilt, so ist die einzelne Portion nicht gerade üppig, aber nach dem gleichen Maß wird Unglück, Einsamkeit und Angst um die Zukunft von Mutter, Bruder und drei Schwestern mit geteilt, und da bleibt nicht mehr so schrecklich viel für einen allein.
    Zwei Dinge bemerkte ich im ersten Augenblick des Wiedersehens schon. Mutter roch immer

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