Betty kann alles
daß er nicht von Psychoanalyse, sondern von Erz redet. Im übrigen laß deinen gesunden Menschenverstand walten. Hier ist die Telefonnummer der Schmelzerei, und hier hast du Websters Adresse, öffne die eingehende Post, lies sie und schreibe die Namen aller Leute auf, die anrufen.»
«Und was mache ich mit Besuchern wie dem dicken Mann?»
«Im Anfang kannst du das ganze Zeug behalten und Webster zeigen; später bekommst du Übung und kannst auch allein die Angeber von den ernsten Kunden unterscheiden. Zumindest kannst du so tun, als ob du dich auskennst», setzte sie ehrlicherweise hinzu.
«Was werden die im Hauptbüro der Firma aber sagen», wandte ich ängstlich ein. «Wir sind doch hier bloß ein Zweigbüro, und es ist eine der ersten Minengesellschaften. Werden die mit mir zufrieden sein?»
«Die werden nie etwas von deiner Existenz erfahren», erklärte Mary. «Wir haben beide denselben Familiennamen, und ob im Zweigbüro in Seattle eine Miss Bard oder die andere mit hundert Dollar Gehalt im Monat arbeitet, ist dieser Riesengesellschaft vollkommen gleichgültig.»
Trotz Marys nachdrücklicher Behauptung, daß ich die zwei größten Vorzüge, die die Sekretärin eines Mineningenieurs besitzen könne, aufwies, hatte ich die unangenehme Vorahnung, Mr. Websters Reaktion auf eine Sekretärin, die weder stenographieren noch Maschine schreiben konnte, würde die eines Mannes sein, der sich getrieben vom Hunger an den Tisch setzt und seinen Teller leer findet.
Mit fiebriger Intensität versuchte ich daher, meine Lage zu verbessern, und übte Maschinenschreiben, nahm Unterricht in Stenographie, lernte auswendig, wieviel Abstand man oben, unten und an beiden Seiten eines Briefes ließ, paukte mir ein, worin sich die rechte von der linken Seite des Durchschlagpapiers unterschied und betete zu Gott, daß Mr. Webster jeden Brief mit «WirbestätigendenEmpfanglhresBriefesvom» anfing, wie dies die Verfasser sämtlicher Geschäftsbriefe in meinem Lehrbuch taten.
Mary lachte mich aus und stempelte meine eifrigen Bemühungen als überflüssige Zeitverschwendung. Ich solle lieber ein bißchen Fachliteratur lesen, die Wandkarten studieren und mir ein allgemeines Gefühl für das Minengeschäft aneignen, meinte sie. Ich bemerkte darauf spitz, ob ich mir vielleicht eine Bergwerkskappe mit Blinklicht kaufen und im Büro tragen sollte, und sie fand, daß dies mir bei Mr. Webster bestimmt weiter helfen würde als mein verängstigter Blick, sobald ich nur die Türe zum Büro ansah.
Für den verängstigten Blick konnte ich nichts. Mit jedem Tag rückte die Heimkehr Mr. Websters in bedrohlichere Nähe, und ich kam mir wie eine Hochstaplerin vor, wenn ich des Morgens den Schlüssel aus der Tasche zog und die Türe mit der imposanten Aufschrift: Charles Webster, Mineningenieur , aufschloß. Ich tat es nie, ohne vorher tief Atem zu holen und ein Stoßgebet gen Himmel zu senden, daß Mr. Webster noch nicht zurückgekehrt sein möge.
Doch eines Morgens, als ich Mr. Websters Büro aufschloß, saß hinter Mr. Websters großem Mahagonischreibtisch Mr. Webster in Person. Ich war einer Ohnmacht nahe. Mr. Webster hatte ganz braune Haut und sehr nette blaue Augen. Erstaunt über meinen Anblick rief er: «Wer sind denn Sie?» Und ich, mit Tränen des Schreckens und der Angst in den Augen, stammelte: «Ich… ich… hm… ich bin Marys Schwester Betty, und ich arbeite hier als Ihre Sekretärin.» «Wo steckt denn Mary?» fragte er, und ich antwortete so schnell, daß ich mich fast verschluckte: «Sie ist da drüben, gleich über der Straße, in einem Büro, und sie hat gesagt, wenn Sie diktieren wollen, dann brauchen Sie sie nur zu rufen, und sie kommt gleich.» «Das ist echt Mary», meinte Mr. Webster nur. «Na, da sie mich verlassen hat, verdient sie auch das Geschenk nicht, das ich ihr mitgebracht habe», und er reichte mir einen Hund aus grünem Zuckerwerk und mit Bonbonaugen.
Ich nahm den Zuckerhund, und weil ich schrecklich nervös war und mir sehr schuldig vorkam, bedankte ich mich viel zu überschwenglich und wiederholte ein übers andere Mal: «Nein, aber wirklich, Mr. Webster, das hätten Sie nicht tun sollen», als wolle er mir ein Diamantenarmband aufzwingen. Und dann, Gott weiß warum, vermutlich, um einen Beweis meiner großen Dankbarkeit zu geben, biß ich in den grünen Hund, und statt eines kleinen Happens blieb mir ein ganzes Zuckerbein im Mund stecken, gerade in dem Augenblick, als Mr. Webster, dem ich mittlerweile
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