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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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entsetzlich auf die Nerven ging und der sich vermutlich überlegte, wie er mich schnell loswerden könne, fragte, ob Post da sei und wer angerufen habe. Ich war nicht imstande zu antworten. Ich stand einfach da, noch immer in Hut und Mantel, schob verzweifelt das Hundebein im Mund hin und her, hatte die Augen voller Tränen, grüne Zuckersauce sickerte aus meinen Mundwinkeln über mein Kinn, und ich bot ganz gewiß nicht den vertrauenerweckenden Eindruck einer erfahrenen, tüchtigen Sekretärin. Wäre ich an Mr. Websters Stelle gewesen, ich hätte nicht lange Federlesens gemacht und mich nicht einmal behalten, hätte ich Diplome in Maschinenschreiben, Stenographieren, Minenstudien, Kartenzeichnen und Geologie vorlegen können. Aber Mr. Webster war ein guter Freund meines Vaters gewesen und benahm sich wirklich rührend zu mir. Er trat ans Fenster und betrachtete angestrengt die Gegend, um mir Gelegenheit zu geben, mich zu fassen.
    Denke ich heute an diesen Abschnitt meines Lebens zurück, so muß ich ehrlich gestehen, daß es Mr. Webster bedeutend billiger zu stehen gekommen wäre, hätte er sich eine gute Putzfrau gehalten, denn alles was ich wirklich zur Zufriedenheit erledigen konnte, war das Abstauben seines Schreibtisches und der verschiedenen Erzproben, die herumstanden.
    Ich schrieb auch ein paar Briefe, aber ich war dermaßen nervös, daß mir die unwahrscheinlichsten Fehler unterliefen und das Resultat meiner Bemühungen, nach enormem Papierverschleiß, ein Bogen mit kleinen Löchern war, nämlich überall da, wo mein Radiergummi zu nachdrücklich in Aktion getreten war.
    Mr. Webster war entsetzt über die Lochverzierungen in meinen Briefen, aber er scheute sich, mich zu kränken. Dagegen behauptete er, ich sei viel zu dünn, und bestellte täglich eine Portion Milch für mich, die ich um zehn Uhr vormittags und drei Uhr nachmittags vor seinen wachsamen Augen trinken mußte. Sein Danebenstehen machte mich nervös; ich trank viel zu hastig, erntete dafür qualvolle Blähungen und mußte einige Male ausgerechnet dann rülpsen, wenn ich am Telefon war und mich bemühte, eingedenk Marys Anweisungen in freundlich gemessenem Ton Auskunft zu erteilen.
    Am ersten Tag nach seiner Rückkehr in die Stadt lud Mr. Webster Mary und mich zum Mittagessen ein. Wir aßen Gänsebraten und tranken Chablis dazu, und es war sehr gemütlich. Mary erklärte Mr. Webster, er brauche sich gar keine Gedanken zu machen, sie habe alles aufs beste arrangiert. So oft er einen Brief zu diktieren habe, solle er es nur mir sagen. Ich würde sie dann in ihrem Büro anrufen, sie würde herüberkommen und Mr. Websters Diktat aufnehmen, und ich müßte in der Zwischenzeit in ihrem Büro das Telefon bedienen. Es klappte auch eine Zeitlang sehr gut, aber als Marys anspruchsvoller Chef eintraf, wurde es immer schwieriger für Mary, sich aus ihrem eigenen Büro wegzustehlen.
    Mr. Webster meinte, ich solle es doch einmal versuchen, die leichteren Briefe zu schreiben, doch nachdem ich ihm eines Morgens einen Bogen überreichte, auf dem «Geleerte Dame» und «hochachtungstoll» stand, schlug er vor, mich in eine Abendschule für Maschinenschreiben und Stenographie zu schicken. Ich sagte, ich wüßte nicht, was ich lieber täte, aber Mary wäre sicher nicht damit einverstanden. Mr. Webster lächelte und beruhigte mich: «Mary und Sie, ihr seid zwei grundverschiedene Persönlichkeiten, meine liebe Betty, und überdies ist Mary eine ausgezeichnete Stenotypistin.»
    Also besuchte ich eine Abendschule, und Mr. Webster zahlte fünfzehn Dollar monatlich für meinen Unterricht. Mein Stenographielehrer muß ein ausgezeichneter Pädagoge gewesen sein, denn nach Ablauf von drei Monaten konnten sämtliche Schüler fließend kurze Briefe und kleine Geschichten stenographieren. Das heißt, alle – mit Ausnahme von mir.
    Ich brachte es einfach nicht in meinen Schädel hinein. Unentwegt verwechselte ich ‹b› mit ‹p› und ‹m› mit ‹n›, und gelang es mir schon einmal, ein paar Silben richtig zu schreiben, so konnte ich sie nicht lesen. Mit Mr. Webster kam ich ganz gut aus, weil er sehr langsam diktierte und ich auch mit der Materie Bescheid wußte, von der die Briefe handelten, aber in der Abendschule war ich ein solcher Versager, daß ich mir am liebsten das Leben genommen hätte, und nur etwas bewahrte mich davor, und das war die sonderbare Tatsache, daß die übrigen Schüler, und es waren zweiundvierzig außer mir, zwar alle tadellos stenographieren

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