Betty kann alles
Dede, die sehr klein und zart war. Da es sich um einen Flottenoffizier handelte, warnten wir unsere Schwester vor dem typischen Vorgehen dieser schneidigen Herren, und es stellte sich heraus, daß wir recht getan hatten, denn ihr Verehrer hielt treu an der Tradition fest und meinte gleich zu Beginn des Abends, Dede sehe sehr müde aus, und ob sie sich nicht in seinem gemütlichen Hotelzimmer ein bißchen ausruhen wolle.
Dede erzählte uns dies brühwarm wieder, als wir uns später in einem Nachtlokal trafen, und der Flottenoffizier regte sich darüber so auf, daß er unter die Tischdecke kroch und einer Dame am Nebentisch ins Bein biß. Die Dame schrie auf, und ihr Begleiter, zufällig ein Bootlegger, sprang auf, schlug seine Jacke zurück, griff nach den beiden Pistolen, die er bei seinem Beruf vorsichtshalber immer bei sich trug, und brüllte: «Wer war das?» Dede erwiderte höflich: «Ein Mitglied der Flotte der Vereinigten Staaten von Amerika», und Marys Begleiter, ein Captain des Marine Corps, meinte nur: «Eine Schande, daß er zum Nebentisch kriechen muß, um ein Bein zum Beißen zu finden.»
Manchmal geschah es, daß Mary selbst schlimme Erfahrungen machte, und für ein Weilchen verhielt sie sich dann vorsichtiger und legte Zurückhaltung an den Tag, wenn es galt, mit einsamen Bekannten entfernter Verwandter ehemaliger Kolleginnen von früheren Arbeitsplätzen auszugehen.
Eine solche nette Episode nahm ihren Anfang mit dem Eintreffen zweier junger Bergwerksingenieure in der Stadt. Die beiden jungen Leute waren Freunde Mr. Websters und hatten zu lange Zeit in Südamerika gelebt Wir arbeiteten damals gerade beide für Mr. Chalmers, und Mr. Webster rief uns im Büro an, erzählte uns von seinen Freunden und fragte, ob wir nicht Lust hätten, mit ihnen auszugehen. Mary sagte natürlich zu, und es wurde verabredet, daß sie uns um halb acht Uhr daheim abholen kommen sollten.
Es war so gegen sechs Uhr, und wir saßen gerade in Morgenröcken am Tisch, tranken Kaffee und beschwerten uns bei Mutter, wie schlecht wir behandelt würden, als die Türglocke schellte und gleich darauf Alison in die Küche kam und berichtete, daß zwei sonderbar aussehende Burschen draußen stünden und nach Mary und mir fragten.
Wir gingen hinaus, und da standen unsere Kavaliere. Der eine hatte einen winzigen Kopf wie eine zusammengeschrumpfte Kokosnuß und der andere einen Schädel wie eine Wassermelone. Beide trugen dicke Jacken mit Gürteln im Rücken, und beide hatten eine Pfeife im Mund. Es wäre schneller gegangen mit dem Autobus, als sie angenommen hatten, ha-ha, und da wären sie wohl ein bißchen zu früh, ha-ha. Mary und ich forderten sie auf einzutreten, überließen es Mutter, sich mit ihnen zu unterhalten, und verschwanden in den oberen Stock, um uns anzuziehen.
Während wir uns bereitmachten, sandten wir Spione zum Horchen hinunter, um ein wenig über die beiden zu erfahren.
«Sie wollen im Autobus mit euch in die Stadt zurückfahren», verkündete Alison. «Du lieber Himmel!» stöhnte Mary, während sie sich die glitzernde Schnalle am Gürtel ihres langen grünen Abendkleides befestigte. «Waren das nicht die Inkas, die sich so gut aufs Köpfe-Einschrumpfen verstanden?» erkundigte sich Dede gefühllos, als sie zur Berichterstattung heraufkam. Sie konnte uns mitteilen, daß der Schrumpfkopf Chester hieß und der Wassermelonenschädel Colvin. «Sie scheinen Mutter sehr gut zu gefallen», erzählte sie. «Sie unterhalten sich über Mexiko, und Mutter hat sie eingeladen, am Sonntag zum Essen zu kommen.»
«Wenn sie ihr so gut gefallen, kann sie ja mit ihnen ausgehen», meinte Mary ärgerlich. «Ich fahre nicht mit dem Autobus, darauf kannst du Gift nehmen.»
«O ja, meine Liebe, du wirst mit dem Autobus fahren und auch sonst mal selbst die Art Suppe auslöffeln, die du mir seit Monaten immer und immer wieder einbrockst.»
Nachher fuhren wir doch nicht im Autobus, weil Mary kurzerhand ein Taxi anhielt. Ich erwischte Colvin zum Tanzen, und es dauerte geraume Weile, bis er dahinterkam, daß es bei uns zu Lande Sitte ist, daß der Herr die Dame führt, und nicht umgekehrt. Mary erzählte mir später, Chester habe sie zwar richtig gehalten beim Tanzen, sei aber ununterbrochen auf ihren Füßen auf- und niedergehüpft, als sei sie ein Sprungbrett, und außerdem röche er aus dem Mund.
Um halb elf Uhr sah Mary auf ihre Uhr, stieß einen Schrei des Entsetzens aus und erklärte: «Wenn wir nicht in spätestens einer
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