Betty kann alles
Stückchen Brot in den Mund und sagte: «Ihr amerikanischen Frauen habt Angst vor der Liebe. Ihr habt Angst vor der Liebe, weil ihr nichts davon versteht. Amerikanische Frauen sind wie Kinder, die sich vor der Dunkelheit fürchten. Sie haben Angst vor der Liebe. Sie sind wie ein Kind. Sie waren verheiratet, das ist wahr, aber mit einem Amerikaner. In Dingen der Liebe sind Sie noch eine Jungfrau.»
Der Kellner brachte die antipasto. Pierre nahm ein großes Stück Anchovis und Pepperoni und fuhr mit vollem Munde fort: «Sie sind eine schlummernde Jungfrau, doch erst einmal erweckt, werden Sie eine hinreißende Frau sein.»
Ich blieb anderthalb Stunden weg, obwohl meine Mittagspause nur eine Stunde dauerte, wäre in meiner Firma beinahe hinausgeflogen und erfuhr doch nicht die kleinste Kleinigkeit über die Stellung, die Pierre zu bieten hatte.
Wenn einem jemand erzählt, daß man eine seltsame Blüte sei, eine Königin der Nacht, deren innere Blätter aber aus Mangel an ‹l´amour› kläglich dahinwelken, kann man schließlich nicht unterbrechen und fragen: «Entschuldigen Sie, ist Ihr Büro am Sonnabend geschlossen?»
Ich erklärte Mary, daß es klüger sei, Pierre und sein legendäres Stellenangebot zu vergessen. Nicht etwa, daß sein Gerede mir Angst eingejagt hätte. Ich hatte ihn eher im Verdacht, sich zu gebärden wie ein Mann, der sich vor aller Augen auf einem Sprungbrett in Pose stellt, obwohl er überhaupt nicht schwimmen kann. Aber es war unmöglich, ihn zu sachlichen Angaben zu bringen, und ich wollte schließlich wissen, wieviel er einer Sekretärin zahlte, wann ich antreten konnte, welche Arbeiten zu erledigen waren und ob ich ein Recht auf bezahlte Ferien hatte.
«Ruf Pierre an», schlug Mary vor, «und verabrede dich für morgen nochmals zum Essen mit ihm. Ich komme einfach mit, und dann nageln wir ihn fest.»
Wir aßen in einem verschwiegenen französischen Restaurant, blieben zwei Stunden weg von unserem Büro, redeten über eine Menge Sachen, die alle mit ‹I'amour› zu tun hatten, und erfuhren wieder nichts über die Stellung, denn gerade als Mary Anstalten traf, wegen des Gehalts zu fragen, offenbarte Pierre ihr, daß sie einer flammenden Hibiskusblüte gleiche und sich Parfüm auf die Augenbrauen tupfen sollte.
Nachdem wir uns von Pierre verabschiedet hatten, meinte Mary: «Gehen wir mal in sein Büro und sehen nach, ob er eine Sekretärin hat oder nicht.» Er hatte eine. Es war eine fade, ältliche Person, die farblose Kleider und derbe Schuhe trug, aussah, als habe sie ihr ganzes Leben in diesem Büro gearbeitet und auch die Absicht hege, darin zu bleiben, und als sei sie nie im geringsten an ‹l'amour› interessiert gewesen.
«Ich gehe jede Wette mit dir ein, daß er auch eine Frau hat», erklärte Mary. Und er hatte eine. Eine fade ältliche Person mit dünnen Lippen und grauem Haar, die aussah, als sei sie seit Jahrzehnten da und habe auch die Absicht zu bleiben, und als sei sie nie an ‹l'amour› interessiert gewesen.
Doch die Verabredungen, die Mary für mich traf, waren noch lange nicht die schlimmsten. Viel unangenehmer und einsichtsloser sind Männer, wenn sie einem zureden wollen, mit ihrem Freund auszugehen. «Wie kannst du so unfreundlich über Charlie reden?» hielt einem, zum Beispiel, ein Johnny vor. «Charlie ist mein bester Freund. Was ist schon dabei, wenn er sich übergeben mußte? Die Krabben seien schlecht gewesen, hat er gesagt.»
Ein Mann findet nichts dabei, daß Charlie sich erbrechen mußte, gerade als er neben mir auf dem Sofa saß. Und ein Mann findet nichts dabei, wenn sein Freund türkisfarbene Anzüge trägt, sich die Haare zu Wellenkämmen frisiert, quietschende Lacklederschuhe trägt oder grüne Zähne hat. Auch stören ihn Aufstoßen, Trunksucht, schmieriges Benehmen oder ein Sprachschatz von sieben Wörtern, von denen sechs unanständig sind, nicht.
Für ihn ist Charlie immer der «gute alte Charlie, mit dem ich zusammen in einem Granattrichter lag», oder «Charlie, mit dem ich die Schulbank drückte», was im allgemeinen für Männer spricht und ein Beweis ist, daß sie gutmütiger sind, aber auch, daß sie in Sachen Menschenkenntnis unbeschriebenen Blättern gleichen und keine Ahnung haben, wer wem gefallen könnte.
«Jock ist am Apparat, Betty», meldete sich zum Beispiel ein Freund Marys bei mir, der gerade hoch im Kurs bei meiner Schwester stand. «Ein Freund aus Kalifornien ist augenblicklich in der Stadt zu Besuch, Betty, und da
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