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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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bezweckte. Er war hochgewachsen, dunkelhaarig und gut aussehend und trug stets einen hellgrauen breitrandigen Hut und einen Kamelhaarmantel, den er auch im Büro nicht ablegte, obwohl es dort sehr heiß war.
    Mary traf ihn im Büro eines Vertreters für eine Ölkompanie, und Mr. Adams fragte sie, ob sie nicht ein Mädchen wisse, das in seinem Büro sitzen und das Telefon bedienen könne. Mary antwortete natürlich sofort, daß sie jemanden wisse, nämlich ihre Schwester Betty, und so kam ich zu Mr. Adams.
    Murray – er forderte mich gleich auf, ihn beim Vornamen zu nennen – erzählte mir, daß er Mitglied einer berühmten Bande in Chikagos glanzvollen Zeiten gewesen sei, an der Küste des Atlantischen Ozeans Alkohol geschmuggelt, in Washington ein paar große Sachen gedreht und dort noch allerhand zu gewärtigen habe. Er war sehr nett zu mir, lud mich ein, mit ihm Kaffee trinken zu gehen, erzählte mir, daß einige «Puppen» – das war seine Bezeichnung für Frauen –ihm arg mitgespielt hätten, aber es machte mich nervös, wenn er sich im Büro ans Fenster setzte und so tat, als mähe er mit einem Maschinengewehr die Fußgänger auf der Straße nieder.
    «Guck dir die Bande von Taugenichtsen an», pflegte er zu sagen. «Dummköpfe alle zusammen. Teufel, würde ich gern ein Maschinengewehr haben und tak-tak-tak-tak-tak es der Bande einsalzen. Allen und besonders den Puppen.»
    Wieso Murray mich angestellt hatte, wurde mir nicht klar, und wozu er ein Telefon brauchte, auch nicht, denn sooft er das Büro verließ, schärfte er mir ein, etwaigen Anrufern zu sagen, Mr. Adams sei abwesend, und sooft er zugegen war, wenn das Telefon klingelte, trug er mir auf zu sagen, Mr. Adams sei nicht da. Ich hatte eine Schreibmaschine zu meiner Verfügung, aber nichts zu schreiben, und so bedachte ich denn alle Leute, die ich jemals kennengelemt hatte in meinem Leben, mit Briefen. Murray zahlte mir zwanzig Dollar die Woche, und ich erhielt meinen Lohn in ganz neuen Scheinen. Nach drei Wochen jedoch machte er sich aus dem Staube und hinterließ Mietschulden sowie unbezahlte Telefon- und Möbelrechnungen. Ich hörte nie wieder etwas von ihm.
    «Diesmal habe ich die tollste Chance für dich, die dir jemals geboten worden ist», verkündete Mary mir. «Du bekommst fünfundzwanzig Dollar die Woche als Mr. Wilsons Privatsekretärin, und wenn du Glück hast, verdienst du noch Tausende an den Zehner-Karten.»
    So begann also meine Tätigkeit für Mr. Wilson, der sich das Zehner-Karten-System ausgedacht hatte, und wäre Seattle nicht eine solch phantasielose Stadt, hätte Mr. Wilson sicher Millionen und ich mit Leichtigkeit ein paar tausend Dollar bei der Sache verdienen können.
    Soweit ich mich erinnere, funktionierte die Sache folgendermaßen: Man mußte eine vorgedruckte Aktie an der Prosperität – wie sich das Unternehmen sinnigerweise nannte – kaufen und dafür zwei Dollar bezahlen. Die Aktie und einen weiteren Dollar brachte man in das Büro, wo ich arbeitete. Hier erhielt der Aktienbringer in einem Kuvert eine Zehnerkarte und zwei weitere vorgedruckte Aktien. Die Zehnerkarte war ein Kartonblatt mit zehn Schlitzen für je eine Zehnermünze und zehn für Unterschriften freigelassene Stellen. Die zwei zusätzlich erhaltenen Prosperitätsaktien verkaufte man zu je zwei Dollar. Von dem Erlös von vier Dollar behielt man drei Dollar, um sich die Ausgabe für den ersten Anteilschein und die Zehnerkarte zurückzuerstatten, und den vierten Dollar wechselte man in zehn Zehner, die man in die dafür bestimmten Schlitze auf der Zehnerkarte steckte. Dann gab man diese Zehnerkarte demjenigen, von dem man seine erste Aktie gekauft hatte. Der Betreffende nahm sich seinen Zehner heraus, schrieb dafür seinen Namen auf die dazu bestimmte Stelle und gab seinerseits seine Karte an die Person weiter, von der er seine erste Aktie gekauft hatte. Diese Person tat das gleiche, und so ging es immer weiter.
    Da ich die Beginnerin mehrerer Ketten war, erntete ich neunzig Cents von den ersten vier, achtzig Cents von den nächsten acht, siebzig Cents von den nächsten sechzehn und so fort. Sobald eine Aktie ins Büro gebracht wurde, trug ich den Namen des Überbringers in ein Buch ein, so daß ich wußte, wer von wem gekauft hatte und wo die Zehner waren oder nicht waren.
    Schon nach einer Woche glich das Büro einem Irrenhaus. Ich stellte vier Mädchen an, die mir halfen, und des Abends saß daheim meine gesamte Familie um den Eßtisch und nahm die

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