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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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zahlten ihr acht Dollar in der Woche, aber es gab keine Toilette in dem Büro.
    «Ich muß entweder eine andere Stellung oder eine andere Blase haben», erklärte Dede schließlich, und so begab sich Mary erneut auf die Suche, und es gelang ihr wirklich, für Dede eine Besprechung mit dem wichtigsten Mann der größten Radiostation von Seattle zu verabreden.
    Dede, die zehn ihrer siebzehn Jahre damit verbracht hatte, vor dem Radio zu sitzen, entwickelte gleich bei dieser ersten Besprechung eine solch umfassende Kenntnis aller Programme und insbesondere, wer für wen sang und was und wer wo spielte, daß sie sofort angestellt wurde und den Auftrag erhielt, mitreißende Werbeverse für Schuhwichse oder halbfertigen Kuchenteig zu verfassen. Wegen ihrer außerordentlichen Erfahrungen auf ihrem Spezialgebiet und dem Schwung in ihren Versen bezahlte man ihr neunzig Dollar monatlich, und manchmal schenkte ihr eine der Kuchenteigfirmen, für die sie gerade warb, einen Sack Mehl.
    Und dann setzte Mary ihrer Arbeitsbeschaffung für die Familie die Krone auf, indem sie eines Tages dem Leiter der Reklameabteilung eines großen Warenhauses einredete, er müsse ein tägliches kurzes Werbeprogramm im Radio laufen lassen. Es sollte eine Fortsetzungsgeschichte sein, gespielt von den Angestellten des Warenhauses. Regie würde Mary führen, und die Verfasserin war – Mutter. Über die Verfasserin entschied Mary, einer Eingebung folgend, als sie dem Reklamemann die Vorzüge ihrer grandiosen Idee schilderte.
    Als der Leiter der Reklameabteilung das Manuskript zu sehen wünschte, sagte Mary, ohne mit der Wimper zu zucken: «Ach, ich habe es im Büro liegen lassen, aber wir fangen morgen mit dem Ausprobieren Ihrer Leute an, und da können Sie es ja lesen.»
    Er sagte: «Gut, sehr gut», und Mary raste zum nächsten Telefon und rief Mutter an, die gerade das Laub im Garten zusammenrechte und die Ente außerhalb des Käfigs herumwatscheln ließ. Ein wohlmeinender, mit unserer Familie jedoch nicht vertrauter Spender hatte uns die Ente geschenkt und angenommen, wir würden sie schlachten und uns am Mahl ergötzen.
    «Kannst du eine Radiofolge schreiben mit einer täglichen Fortsetzung von fünfzehn Minuten Laufzeit, Mutter?» fragte Mary schlicht und einfach.
    «Ich weiß nicht recht», erwiderte meine Mutter nicht minder schlicht. «Ich habe es mir noch nie überlegt.»
    «Ich habe das Programm eben verkauft, Mutter, und ich brauche das Manuskript morgen. Es ist für ein Warenhaus, und du kannst so viele Personen auftreten lassen, wie du willst, weil die Angestellten die Rollen übernehmen werden. Das Programm soll unterhaltend und spannend sein. Kannst du's tun, Mutter?»
    «Wieviel ist das, fünfzehn Minuten Laufzeit?» fragte Mutter.
    «Keine Ahnung», erwiderte Mary. «Du bist doch diejenige, die sich täglich den Blödsinn im Radio anhört. Es dürfen übrigens nicht mehr als zwölf Minuten sein, weil drei Minuten Reklame und so weiter kommen muß.»
    «Es wäre viel einfacher, wenn du mir sagen könntest, soundso viel Seiten. Von den Programmen kannst du dir es nicht ausrechnen, weil die ja einen Hustenanfall über zwei Wochen ausdehnen können, wenn's sein muß.»
    «Schreibe die erste Episode, dann lesen wir es heute abend laut und kontrollieren die Zeit», schlug Mary vor.
    «Ich wünschte, wir könnten unsere Mähmaschine schleifen lassen. Es ist schrecklich, wie lange das Mähen dauert.»
    «Wenn du dieses Programm schreibst, Mutter, kannst du dir jeden Tag die Mähmaschine schleifen lassen», versprach Mary.
    «Ach, ich soll dafür bezahlt werden?» erkundigte sich Mutter.
    «Natürlich. Fünfundzwanzig Dollar die Woche schauen dabei für dich heraus.»
    «Wie schön!» rief Mutter.
    «Ich habe immer gewußt, daß ich eines Tages auch für dich eine Stellung finden würde, Sydney», lachte Mary.
    Und so legte Mutter den Rechen aus der Hand, sperrte die Ente wieder in ihren Käfig, brachte die Kinder für ihr Nachmittagsschläfchen zu Bett, setzte sich in die Frühstücksecke und schrieb die erste Episode von «Am Bärenplatz».
    Das war bezaubernd, spannend und unterhaltend. Nach dem Abendessen an jenem denkwürdigen Tage lasen wir das Geschriebene laut vor, kontrollierten die Zeit, und Mutter brachte die notwendigen Änderungen an.
    Am nächsten Tag unterschrieb der Leiter der Reklameabteilung des Warenhauses den Vertrag, und während des nächsten Jahres schlich sich Mutter an fünf Nächten der Woche so gegen zehn oder elf Uhr

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