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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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oder auch ein oder zwei Uhr in die Frühstücksecke, trank Unmengen von Kaffee, rauchte unzählige Zigaretten, hustete unentwegt und schrieb in ihrer verkritzelten, unleserlichen Schrift ihre zwanzig Seiten «Am Bärenplatz».

14
    Unsere Familie ist Spezialistin in Weihnachtsfeiern, und selbst während der schwierigsten Krisenjahre brachten wir es fertig, unsere übliche Weihnachtsbaum-Entdeckungsfahrt mit anschließendem Kampf, Weihnachtsliedersingen und Austernessen am Heiligabend einzuhalten. Am Weihnachtsmorgen pflegt ein kleines Häufchen von eingepackten Geschenken (neunundneunzig Prozent davon selbst verfertigt und bei der Übergabe noch warm von den Händen des Herstellers) für jeden unter dem Baum zu liegen.
    Jahr für Jahr nahmen wir uns ernstlich vor, schon im August mit den WeihnachtsVorbereitungen zu beginnen, aber Jahr für Jahr konnte man unweigerlich einen von uns am Weihnachtstag gegen drei Uhr morgens damit beschäftigt finden, ein Puppenkleidchen fertig zu nähen, wobei Mutter meistens hilfreich zugriff, oder die Wollfädchen an einem paar selbstgestrickter Handschuhe zu verstechen oder einen Fruchtkuchen einzupacken. Weihnachten ergriff mich immer sehr, und ich fühlte mein Herz in der Brust freudig erregt klopfen, wenn es endlich soweit war und der Weihnachtsbaum ins Zimmer geschoben wurde und der wunderbare Tannenduft den Raum erfüllte.
    Es gibt kein Weihnachtsfest, an das ich mich nicht gern erinnert hätte, mit einer einzigen Ausnahme, und das war die Weihnachtszeit im Jahre 1933, kurz nachdem ich begonnen hatte, für die Regierung zu arbeiten.
    Eines Tages im Oktober jenes Jahres kam Mary zur Türe hereingestürzt und rief strahlend: «Das ist das Fabelhafteste, was je einer von uns mitgemacht hat! Ich habe von der Western Transport Gesellschaft carte blanche bekommen, ein Weihnachtsfest zu organisieren; es soll das Tollste und Großartigste werden, was die Stadt je erlebt hat. Ich werde einen Riesenweihnachtsbaum aufstellen, der bis an die Decke der Stadthalle reicht. Es wird phantastische Preise geben; Autos, Waschmaschinen, Radios, Fahrräder, Puppen, Armbanduhren und herrliche Porzellanservices. Ich werde an Vortragskünsdem und Sängerinnen und Tänzerinnen engagieren, was es überhaupt im Staate gibt. Ich werde Tag für Tag Reklame im Radio machen, ich lade alle Leute ein, ich stelle allen, die nicht gehen oder humpeln können, Transportmittel zur Verfügung, und die ganze Familie muß mir bei der Organisation helfen!»
    «Meine Stepschuhe sind kaputt, und Mutter hat meine Geige verschenkt, aber ich werde tun, was ich kann», versprach Dede und räusperte sich bereits vorbereitend.
    «Wir können ‹Stille Nacht, heilige Nacht› zweistimmig singen», boten sich Joan und Anne prompt an.
    «Betty wird begeistert sein, den Weihnachtsbaum für dich zu besorgen», meinte Cleve. «Was für ein Maß hast du im Sinn, Mary? Genügt dir ein Baumstamm von zirka zwei Meter Durchmesser, oder legst du Wert auf ein solches Ungetüm, wie wir es meist haben?» Ich habe eine besondere Schwäche für riesige Weihnachtsbäume und hasse Tafelbäumchen oder diese mageren Stecken mit vereinzelten mageren Zweigen, wie sie auf der Straße feilgehalten werden. Cleve war begreiflicherweise etwas verbittert über meine Vorliebe für große Bäume, da es im allgemeinen ihm zufiel, die erwählte Tanne heimzuschleifen.
    «Ich helfe natürlich gern», sagte ich. «Aber wann? Ich habe doch meine Stellung.»
    «Das macht nichts», beruhigte mich Mary. «Wir schaukeln die Geschichte am Abend und über die Wochenenden.»
    «Können wir vielleicht auch einen Wagen oder eine Armbanduhr gewinnen?» erkundigte sich Mutter.
    «Leider nicht», erwiderte Mary. «Familienmitglieder sind bei diesen Wettbewerben immer ausgeschlossen. Aber es ist trotzdem eine wunderbare Sache. Ich bekomme fünfundzwanzig Dollar wöchentlich und, wenn der ganze Rummel vorüber ist, eine Extraprämie von zweihundertundfünfzig Dollar. Das Geld können wir zu Weihnachten gut gebrauchen.»
    «Kriege ich neue Schlittschuhe?» wollte Alison wissen.
    «Sehr gut möglich», entgegnete Mary. «Ich glaube, dieses Jahr werden wir uns eine ganze Menge ‹Ladengeschenke› leisten können.»
    Kein Wunder, daß wir alle vor Eifer brannten, unser Scherflein an Arbeit beizutragen.
    Und so ging ich an einem regnerischen Novembersonnabend mit Mary zu einem am Hafen gelegenen Lagerhaus der Western Transportgesellschaft; Mary rollte eines der riesigen Tore zur

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