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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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«Wenn ein Anwalt von Ruf wie Andy den Eindruck gehabt hätte, Dorita sei harmlos und die ganzen Zwischenfälle existierten nur in meiner Einbildung, hätte er kein Hehl daraus gemacht.»
    Allabendlich, wenn ich in Marys Büro kam, traf ich dort Dorita an. Ich sah sie nie an der Schreibmaschine sitzen, aber häufig war der Sessel noch warm, wenn ich mich an die Arbeit machte. Sie half bei diesem und jenem, aber hauptsächlich stand sie nur herum, stellte Fragen und rauchte eine Zigarette nach der anderen, und niemals zog sie die Handschuhe aus.
    Meine Weihnachtseinkäufe machte ich meist in der Mittagspause. Es war wie verhext. Wo ich ging und stand, sah ich Dorita oder glaubte zumindest, sie zu sehen. Eines Tages, als ich gerade in der Parfümabteilung eines Warenhauses ein wunderbares und für meine Verhältnisse viel zu teures Parfüm bewunderte, gab es ein klirrendes Geräusch neben mir, und eine Riesenflasche lag in Scherben am Boden. Niemand wußte, wie es geschehen war, die Verkäuferinnen warfen mir schiefe Blicke zu, und als ich mich umwandte, um zu sehen, wer hinter mir gestanden hatte, sah ich gerade noch eine Gestalt in einem Leopardenmantel forteilen.
    Ein andermal, als ich in einem Einheitspreisgeschäft Glückwunschkarten kaufte, zog mich plötzlich jemand derartig an den Haaren, daß mir vor Schmerz das Wasser in die Augen stieg. Erbost drehte ich mich um und erhaschte gerade noch, wie sich ein Bibermantel durch die Menge davonschlängelte.
    Wenige Tage später kaufte ich bei unserem Metzger Lammnieren und bemerkte zufällig Dorita, die mit der Nase ans Fenster gepreßt draußen auf der Straße stand und mich nicht aus den Augen ließ. Sie verharrte in dieser Stellung, während der Metzger die Nieren wog, sie einpackte und mein Geld entgegennahm, doch als ich den Laden verließ, war Dorita verschwunden.
    «Vielleicht wohnt sie hier in der Gegend», meinte Mutter, als ich ihr von dem Zwischenfall berichtete.
    Mary erzählte eines Abends, wie sich im Autobus die Kette ihres Silberkreuzes am Mantelknopf einer Dame verwickelt und die Dame sich so gebärdet hatte, daß Mary fast erstickt war, bevor es gelang, die Verknotung zu lösen. Ich fragte, wie die Dame ausgesehen hatte, aber Mary erwiderte, daß sie bei der herrschenden Aufregung und der Fülle im Autobus nichts und niemanden erkannt hätte.
    Ich flocht alle diese Begebenheiten in meine allabendlichen Berichte an Andy ein, aber mein Unbehagen blieb.
    Zwei Tage vor der Weihnachtsfeier fuhren Mary und ich in einem Taxi zur Stadthalle, um das Schmücken des Weihnachtsbaumes zu überwachen.
    «Hast du Mr. Ajax endlich nach Dorita gefragt?» erkundigte ich mich.
    «Ich habe ihn seit Tagen nicht zu Gesicht bekommen», erwiderte Mary. «Er scheint verreist zu sein.»
    «Na, in zwei Tagen ist die Feier vorüber, und dann werden wir von Dorita befreit sein», meinte ich seufzend.
    Als wir bei der Stadthalle vorfuhren, löste sich eine Gestalt in schwarzem Seehundmantel und blondem Haar aus der nebelverhangenen Dunkelheit, und Dorita kam auf uns zugeschlendert.
    «Woher kommen Sie denn?» fragte Mary.
    «Ach, ich wohne hier in der Nähe, und da hat Mr. Ajax mich gebeten, beim Dekorieren des Baumes zu helfen», erwiderte sie.
    «Ich dachte, Mr. Ajax ist verreist», sagte Mary.
    «Das denkt man, aber er ist da», war Doritas selbstbewußte Antwort.
    Mary zupfte mich verstohlen am Ärmel. Zusammen gingen wir die Treppe zur Stadthalle hinauf.
    Der riesige Weihnachtsbaum war bereits neben der Bühne errichtet worden, und die Elektriker waren eben damit beschäftigt, die Glühbirnen in den Zweigen zu befestigen. Die Bühnenumrandung und die Galerie des Saales waren mit Girlanden aus Tannenzweigen geschmückt, und hier und da lagen Zweige und noch aufzuhängende Zweiggirlanden herum, die herrlichen Weihnachtsgeruch ausströmten, wenn man versehentlich auf die Nadeln trat. Einer der Arbeiter hatte einen Radioapparat mitgebracht und aufgestellt, und zwischen Rufe wie «Gib mir mal den Hammer, Mac!» und «Verflucht, Charlie, paß doch auf, wo du die Zweige hinwirfst!» tönte Bing Crosbys Stimme; «Ein Englein hält Wacht…»
    Es gab nichts für mich zu tun, also setzte ich mich auf die Rampe und sprach den Arbeitern meine Bewunderung für ihr Werk aus. Dorita lehnte an der Türe und rauchte.
    So gegen halb zwölf Uhr, als mehr oder weniger alle Vorbereitungen beendet waren und wir uns zum Heimgehen anschickten, bat einer der Elektriker Mary um ihre Telefonnummer, da

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