Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)
Hand eingeklammert. Er versuchte seinen Finger wegzuziehen, aber Halas Hand hielt seinen Finger fest. Er wollte nicht zu stark ziehen, denn sonst würde sie aufwachen. Bald ließ der Handdruck nach und Viktor hätte seinen Finger problemlos wegziehen können, aber er ließ ihn in ihrer Handfläche und versuchte, sich nicht zu bewegen.
Gametophyt
Viktor stand am Fenster und schaute nach draußen. Es war schon dunkel und es wurde zunehmend kühler abends, der Herbst war angekommen.
Die meisten Bäume hatten schon eine gelbe oder braune oder rote Farbe, und der Boden war übersät von vielen bunten Blättern, die knirschten, wenn man darauf ging.
Viktor war gerade vom Laufen zurückgekommen und hatte gebadet, weil er so verschwitzt war. Er war 30 Mal die Aquifoliumstraße auf und ab gelaufen, zuerst ganz ganz langsam, genau wie Angh Park gemacht hatte, dann hatte er sich langsam gesteigert und die letzten vier Runden war er so schnell gelaufen, wie er nur konnte. Rocco saß auf den Treppen vor dem Reconquista, schaute ihm zu und rief dann irgendwann: „Was zum Teufel machst du da, Viktor?“
„Laufen!“, keuchte Viktor, als er zum zwölften Mal an ihm vorbeilief. Rocco schüttelte verständnislos den Kopf und zupfte weiter an seiner Gitarre. Irgendwann kamen ein paar Kunden und Rocco ging hinein, kam irgendwann wieder heraus, um zu schauen, ob Viktor immer noch lief, schüttelte wieder den Kopf und ging rein.
Dann stellte sich Viktor auf den Hinterhof und machte Liegestütze, er schaffte 18, immerhin zwei Liegestütze mehr als beim letzten Mal , und das fand er toll. Dann machte er einen Sonnengruß, übte die Begrüßungsstellung und den Senkutsu Dachi, rief „Ossu!“ so laut er konnte und machte dann noch einen Sonnengruß. Donna schaute irgendwann raus, und rief dann ins Atelier: „Nichts. Nur Viktor, er turnt.“
Jetzt stand Viktor am Fenster, beobachtete die Elstern auf dem Fensterbrett, die Eulen in den Bäumen und die Adler am Himmel, fühlte sich müde und überhitzt und sauber und war glücklich. Er wartete darauf, d ass Cristobal kam, aber als es 22 Uhr wurde, schaltete er sein Licht aus und legte sich hin. Kurz vor dem Einschlafen hörte er jedoch ein Klopfen an seinem Fenster. Es war ein hartes, schnelles Klopfen, ganz anders als alle Klopfzeichen von Cristobal bisher.
Er lief zum Fenster, zog eine Ecke des Vorhangs weg und schaute vorsichtig nach draußen. Es war tatsächlich Cristobal, Viktor öffnete das Fenster, der Kolibri flog herein und rief : „Fenster schließen, schnell!“ Viktor schloss schnell das Fenster.
Cristobal warf sich auf das Bett und keuchte eine Weile, hauchte „Essen!“ und Viktor gab ihm ein Honigglas, das er unter dem Bett versteckt hatte. Er war mit Oded einkaufen gewesen und hatte Oded überredet, ihm vier große Honiggläser zu kaufen. Oded fragte erstaunt, wofür er denn den ganzen Honig bräuchte, worauf Viktor lässig erwiderte: „Ich muss das für Karate essen.“ Oded fragte nicht weiter und kaufte ihm zwei Gläser Waldhonig und zwei Gläser Blütenhonig.
Cristobal aß schnell und hektisch, verschluckte sich und Viktor musste ihm auf den Rücken klopfen, dann aß Cristobal schweigsam und bedrückt weiter.
Viktor wurde nervös.
Als Cristobal genug gegessen hatte, ließ er sich aufs Bett fallen und atmete ein paar Mal ein und aus.
„Viktor, die Reptilienvereinigung will sich mit dir treffen!“, presste er irgendwann heraus.
Viktor starrte ihn an und wusste nicht, was er sagen sollte.
„ Sie wollen sich mit dir treffen!“, jaulte er.
Viktor verstand nicht und starrte weiterhin auf den Vogel.
„Heute Abend. Jetzt gleich!“
Viktor atmete tief ein und wollte etwas sagen , atmete dann tief aus und sagte nichts.
„Wir müssen gleich lo s“, sagte Cristobal.
„Warum?“, fragte Viktor schließlich.
„Weiß ich nicht! Ich habe gerade vorhin den Befehl bekommen. Ich soll dich da zu diesem beleuchteten Platz hinbringen, wo wir letztens saßen. Nicht das letzte Mal, sondern das Mal davor. Der Platz, der nicht so weit ist von hier. Weißt du?“
„Platz der Holoarktis“, sagte Viktor.
„Ja! Der! Wir müssen gleich hin.“
„Warum wollen sie sich mit mir treffen?“
„Ich weiß nicht! Vielleicht wollen sie dich kennenlernen oder so. Die Eisvögel und die Kaiserpinguine haben beide den Befehl unterschrieben, also haben sie es genehmigt, also ist es bestimmt nichts Schlimmes!“
„Und wenn was Schlimmes passiert?“, fragte
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