Between Love and Forever
reden – und das auch noch vor ihr.
Ich weiche stur seinem Blick aus.
Dann gehe ich aus dem Zimmer, aus der Station, inRichtung Aufzüge. Ohne ihn anzusehen, sage ich: »Also dann bis morgen, selbe Zeit, okay?«
Ich erwarte, dass er protestiert, weil es nichts bringt. Weil es ihm peinlich ist oder unangenehm, wenn ich dabeisitze, oder beides. Aber er sagt nur: »Okay.«
Ich gehe weg, ohne einen Blick zurück, und auf dem Heimweg denke ich nicht an ihn.
Ich denke daran, was letzten Sommer passiert ist, bevor Tess ans College ging. Als ich fünfzehn war und sie achtzehn.
Ich denke an Jack.
Kapitel 14
Tess hat Jack zuerst kennengelernt.
Sie hatte ein Stipendium für ihr College bekommen, klar, aber nicht wegen ihrer Noten, sondern weil sie »Führungspotenzial« bewiesen hatte. Dann hat sie einen Ferienjob in Milford angenommen und als Kassiererin im überteuerten ›Organic Gourmet-Markt‹ gearbeitet. (In Milford gibt es natürlich keine ordinären Supermärkte. Nur »Märkte« und »Boutiquen«. Würg.)
Meine Eltern fanden es merkwürdig, dass Tess nicht mit ihren Freunden zusammen sein und ihre Ferien genießen wollte. Die Collegefinanzierung war doch gesichert. Aber Tess behauptete, dass sie Geld für Bücher und andere Dinge verdienen wollte, die ihr Stipendium nicht abdeckte.
In Wahrheit hat sie den Job angenommen, weil Claire in derselben Straße wohnte wie wir und sich nicht mehr im Haus versteckte. Sie hielt sich oft im Hof auf oder ging in den Ort, zeigte Cole herum und strahlte, als hätte sie ein Geheimnis, etwas Unglaubliches, das außer ihr niemand sehen konnte. Und da hat Tess vermutlich begriffen, dass Claire sich nie bei ihr entschuldigen würde, so wie sie es von ihr erwartete. Dass ihre Freundschaft zerstört war.
Also hat sie den Job angenommen und Jack kam am Mittwoch, den 30. Juni in den ›Organic Gourmet-Markt‹.
Manchmal frage ich mich, ob dieses Datum mich bis an mein Lebensende verfolgen wird. Und was damals in mir vorging, als ich von dem Buch aufblickte, das ich gerade las, und Tess in unsere Straße einbog, mit Jack ihm Schlepptau, der die Schultern einzog, als sei er irgendwie nervös.
Und das war er auch. Ich merkte es auf den ersten Blick. Jack war süß – groß, mit goldblondem Haar und einer Metallbrille, die er ständig über die Nase hochschob. Er hatte Sommersprossen auf den Wangen, wie mit rascher Hand hingesprenkelt, und an dem ersten Abend, als er mit Tess auf der Treppe stand, konnte ich die blasse Unterseite seiner Arme sehen, die aus seinem T-Shirt hervorschauten.
Es waren keine dünnen, schmächtigen Arme, das nicht, nur blass, aber der Anblick dieser Haut ... es wirkte so verletzlich und das berührte mich.
Er sah so verschüchtert aus. Als müsste man ihn in die Arme nehmen. Was ich nur zu gern gemacht hätte. Ich sah mich selbst in ihm – er war wie ich, unsicher, aber hungrig nach Liebe und mehr als bereit dafür.
Nur dass er Tess im Blick hatte und nicht mich.
Tess war zu nett – und zu sehr an Bewunderung gewöhnt –, um ihn einfach wegzuschicken, also nahm sie ihn mit ins Haus. Ließ ihn reden und erfuhr – genau wie ich, die auf der Veranda saß und lauschte –, dass er Medizin studieren wollte. Er wollte Arzt werden, einerOrganisation wie »Ärzte ohne Grenzen« beitreten und in Entwicklungsländern arbeiten. Er wollte Menschen helfen, um die sich sonst niemand kümmerte. Er wollte etwas bewirken, wichtig sein.
Dass er wichtig sein wollte, sagte er natürlich nicht, aber ich verstand, was in ihm vorging, als er Tess von seinen Plänen erzählte. Ich bin kein Weltverbesserer oder so, aber ich will auch irgendwo leben und arbeiten, wo ich zähle. Wo ich wahrgenommen werde und nicht nur Tess’ kleine Schwester bin, sondern einfach ich selber.
Jack war froh, dass er die St. Andrew’s hinter sich hatte. Er wollte an ein College gehen, wo er nicht jeden kannte, und er hatte keine Freundin mehr gehabt, seit das Mädchen, mit dem er ein paar Jahre zusammen war, ihn direkt nach der Prom Night – was in Milford »Final Formal« heißt – abserviert hatte, um mit dem Rucksack durch Europa zu reisen, bevor im Herbst das College anfing.
Tess wusste nichts von diesen Dingen. Aber ich. Weil ich ihn danach gefragt habe.
Doch das kam später. Zunächst hab ich ihn nur mit Tess gesehen. Ich habe jeden Abend darauf gewartet, dass er sie nach Hause begleitet, und ihn beobachtet, wie er auf ihr Geplapper lauschte, bis sie lächelnd und winkend im Haus
Weitere Kostenlose Bücher