Beute
Dachte, es interessiert dich vielleicht.«
Das Dröhnen wurde lauter. Der Raum fing leicht an zu vibrieren. Die Luft kühlte sich rasch ab. Gleich darauf konnte ich meinen Atem sehen.
»Tut mir Leid, wenn du es ungemütlich hast, aber das ist nur vorübergehend«, sagte Ricky. »Sobald die Pulse richtig auf Touren kommen, heizt sich der Raum schnell auf. Äh, Moment. Siebenundvierzig Sekunden.«
Das Geräusch war ein rasches Klonk-Klonk-Klonk, wie ein gedämpfter Presslufthammer. Es war laut und wurde lauter. Ich konnte Ricky über die Sprechanlage kaum noch hören.
»Nun hör mal, Jack«, sagte er. »Du hast eine Familie. Eine Familie, die dich braucht. Also denk gründlich über deine Möglichkeiten nach.«
Ich sagte: »Lass mich mit Julia sprechen.«
»Nein, Jack. Sie will jetzt nicht mit dir sprechen. Sie ist sehr enttäuscht von dir, Jack.«
»Lass mich mit ihr sprechen.«
»Jack, hörst du nicht, was ich sage? Sie will nicht. Nicht, solange du ihr nicht sagst, wo das Virus ist.«
Klonk-klonk-klonk. Der Raum wurde wärmer. Ich konnte das Gurgeln des Kühlmittels hören, das durch die Leitungen floss. Ich drückte den Notknopf mit dem Knie.
»Wie oft soll ich es dir noch sagen, Jack. Der Knopf schaltet den Magneten bloß an. Hast du Probleme, mich zu verstehen?«
»Ja«, brüllte ich. »Die hab ich.«
»So ein Jammer«, sagte Ricky. »Tut mir Leid, das zu hören.«
Jedenfalls glaubte ich, dass er das sagte. Das Klonk-klonk-klonk schien inzwischen den ganzen Raum zu füllen, brachte selbst die Luft zum Vibrieren. Sie klangen wie ein gewaltiger Kernspintomograf, diese riesigen Pumpen. Der Kopf tat mir weh. Ich betrachtete den Magneten, die dicken Schrauben, die die Platten zusammenhielten. Die Schrauben würden bald zu Geschossen werden.
»Das hier ist kein Spiel, Jack«, sagte Ricky. »Wir würden
dich nur sehr ungern verlieren. Zwanzig Sekunden.«
Die Ladezeit war die Zeit zum Aufladen der Magnetfeldspeicher, damit Millisekunden-Strompulse abgegeben werden konnten. Ich fragte mich, wie lange es nach dem Laden dauern würde, bis die Pulse den Magneten in Stücke rissen. Wahrscheinlich höchstens ein paar Sekunden. Mir lief also die Zeit davon. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Alles war fürchterlich schief gelaufen. Und das Schlimmste war, dass ich den einzigen Vorteil verspielt hatte, den ich überhaupt je gehabt hatte, denn jetzt waren sie sich bewusst, wie wichtig das Virus war. Zuvor hatten sie darin keine Gefahr gesehen. Aber jetzt wussten sie Bescheid und verlangten, dass ich das Virus aushändigte. Bald würden sie auf die Idee kommen, den Fermentationstank zu zerstören. Sie würden das Virus sehr gründlich vernichten, da war ich mir sicher.
Und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Jetzt nicht mehr.
Ich fragte mich, wie es Mae ging und ob man ihr was getan hatte. War sie noch am Leben? Ich fühlte mich distanziert, teilnahmslos. Ich hockte hier in einem übergroßen Kernspintomografen, mehr nicht. Das laute, beängstigende Geräusch, so musste es Amanda ergangen sein, als sie darin lag … Meine Gedanken schweiften ab, gleichgültig.
»Zehn Sekunden«, sagte Ricky. »Mensch, Jack. Spiel nicht den Helden. Das ist nicht dein Stil. Sag uns, wo der Kanister ist. Zehn Sekunden. Fünf. Jack, los …«
Das Klonk-klonk-klonk hörte auf, und es ertönte ein Wumm! und das Kreischen von berstendem Metall. Der Magnet war angesprungen, für ein paar Millisekunden.
»Erster Impuls«, sagte Ricky. »Sei kein Idiot, Jack.«
Wieder ein Wumm! Wumm! Wumm! Die Pulse kamen jetzt immer schneller. Ich sah, wie sich die Ummantelung an der Kühlung mit jedem Puls einbeulte. Sie kamen zu schnell.
Wumm! Wumm!
Ich hielt es nicht mehr aus. Ich rief: »Okay! Ricky! Ich sag’s euch!«
Wumm! »Schieß los, Jack!« Wumm! »Ich warte.«
»Nein. Erst abschalten. Und ich sage es nur Julia.«
Wumm! Wumm! »Sehr unvernünftig von dir, Jack. Du bist wirklich nicht in der Position, Forderungen zu stellen.« Wumm!
»Wollt ihr das Virus, oder wollt ihr euch lieber überraschen lassen?«
Wumm! Wumm! Wumm!
Und dann auf einmal Stille. Nur das leise Zischen der Kühlflüssigkeit, die durch die Ummantelung floss. Der Magnet war zu heiß, um ihn anzufassen. Aber wenigstens hatte das Geräusch des Kernspintomografen aufgehört.
Der Kernspintomograf .
Ich stand im Raum und wartete, dass Julia hereinkam. Und dann überlegte ich es mir anders und setzte mich hin.
Ich hörte, wie die Tür entriegelt wurde. Julia trat
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