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Beute

Beute

Titel: Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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von der Größe eines Footballspielers kam herein, stieß mich an den Rand des Behandlungsraumes und hielt meine Arme fest. Ich blickte an seiner breiten Schulter vorbei, während sechs Personen sich um meine Tochter herumdrängten; eine Krankenschwester mit einem Bart-Simpson-T-Shirt steckte ihr eine Nadel in die Stirn. Ich fing an zu schreien und versuchte, mich loszureißen. Der Krankenpfleger rief- »Köpfen, köpfen, köpfen.« Schließlich begriff ich, dass er »Kopfvene« sagte. Er erklärte, das sei nur für die Infusion, weil das Baby dehydriert sei. Deshalb habe sie die Krämpfe bekommen. Ich hörte die Worte Elektrolyte, Magnesium, Kalium.
    Jedenfalls hörten die Krämpfe gleich danach auf. Aber Amanda brüllte weiter.
    Ich rief Julia an. Sie war wach. »Wie geht es ihr?«
    »Unverändert.«
    »Weint sie noch immer? Ist sie das?«
    »Ja.« Sie konnte Amanda im Hintergrund hören.
    »Mein Gott.« Sie stöhnte. »Was sagen die Ärzte?«
    »Sie wissen noch nicht, was sie hat.«
    »Ach, die arme Kleine.«
    »Sie ist schon von rund fünfzig Ärzten untersucht worden.«
    »Kann ich irgendwas tun?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Okay. Sag mir Bescheid.«
    »Okay.«
    »Ich schlafe nicht.«
    »Okay.«
    Kurz vor Tagesanbruch verkündeten die versammelten Experten, dass sie entweder einen Darmverschluss oder einen Gehirntumor habe und dass zur Klärung eine Kernspintomografie durchgeführt werden solle. Der Himmel erhellte sich blassgrau, als Amanda in den Untersuchungsraum gebracht wurde, in dessen Mitte das große, weiße Gerät stand. Die Krankenschwester sagte, es würde meine Tochter beruhigen, wenn ich bei der Vorbereitung dabei wäre, und sie zog die Nadel aus der Kopfvene, weil keine Metallgegenstände mit in das Gerät durften. Blut spritzte hervor und lief über Amandas Stirn ins Auge. Die Krankenschwester wischte es ab.
    Jetzt wurde Amanda auf ein weißes Brett geschnallt, das in die Tiefen des Geräts rollte. Meine Tochter starrte in Panik nach oben auf die Apparatur, noch immer schreiend. Ich ging in den Nebenraum, der ein Fenster hatte, in Richtung des Tomografen.
    Der Techniker war ein Ausländer mit dunkler Hautfarbe. »Wie alt ist sie? Ist es überhaupt eine Sie?«
    »Ja, eine Sie. Neun Monate.«
    »Hat aber schon kräftige Lungen.«
    »Ja.«
    »Los geht’s.« Er hantierte mit seinen Knöpfen und Schiebern, wobei er meine Tochter kaum eines Blickes würdigte.
    Amanda verschwand vollständig in dem Gerät. Ihr Schluchzen hörte sich blechern über den Lautsprecher an. Der Techniker betätigte einen Schalter, und die Pumpe begann zu rattern; es war ziemlich laut. Trotzdem hörte ich meine Tochter weiter schreien.
    Und dann hörte sie plötzlich auf.
    Sie war völlig still.
    »Gott«, sagte ich. Ich sah den Techniker und die Krankenschwester an. Ihre Gesichter zeigten Entsetzen. Wir alle dachten das Gleiche, etwas Schreckliches war passiert. Mein Herz hämmerte. Der Techniker stellte hastig die Pumpen ab, und wir eilten zurück in den Raum.
    Meine Tochter lag da, noch immer angeschnallt, schwer atmend, aber offensichtlich wohlauf. Sie blinzelte langsam, als wäre sie benommen. Schon jetzt war ihre Haut deutlich heller geworden, rosa, hatte stellenweise wieder ihre normale Farbe. Die Rötung wurde praktisch vor unseren Augen schwächer. »Mich laust der Affe«, sagte der Techniker.
    Zurück in der Notaufnahme wollten die Ärzte Amanda nicht nach Hause lassen. Sie waren noch immer der Meinung, dass sie einen Tumor oder eine gefährliche Darmgeschichte habe, und bestanden darauf, sie zur Beobachtung dazubehalten. Doch der Hautausschlag ließ zusehends nach. Im Laufe der nächsten Stunde verblasste die rosa Färbung und verschwand schließlich ganz.
    Niemand konnte sich erklären, was passiert war, und die Ärzte waren besorgt. Amanda hatte wieder die Infusion in der Kopfvene, diesmal auf der anderen Seite der Stirn. Aber als ich ihr das Fläschchen gab, saugte sie es gierig leer. Sie starrte, wie immer, wenn ich sie fütterte, mit ihrem hypnotischen Blick zu mir hoch. Es schien ihr tatsächlich wieder gut zu gehen. Sie schlief in meinen Armen ein.
    Ich saß noch eine Stunde herum, dann fing ich an zu klagen, dass ich zu meinen Kindern müsste, um sie zur Schule zu bringen. Und kurz darauf konstatierten die Ärzte einen weiteren Triumph der modernen Medizin und schickten mich mit meiner Tochter nach Hause. Amanda schlief auf dem ganzen Weg tief und fest und wurde auch nicht wach, als ich sie aus dem Kindersitz

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