Beuterausch
in der alten steinernen Kochstelle brannte, und Peg pflegte gerade meine Wunden, als Darleen zu uns trat und neben mir in die Hocke ging. Sie sah mir direkt in die Augen. Das hatte sie bisher noch nie getan.
»Du bist nicht böse, oder?«, sagte sie.
»Nein«, antwortete ich. »Ich bin nicht böse.«
Ich konnte kaum sprechen. Es kam nur ein Flüstern heraus.
»Mein Papa war böse«, sagte sie. »E scanraigh me.«
»Auf Englisch, Darleen«, meinte Peg.
»Er hat mir Angst gemacht«, sagte sie. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Vielleicht erinnerte sie sich. »Aber du bist nicht böse. Nein.«
Und dann tat sie das, womit ich am wenigsten gerechnet hatte.
Sie beugte sich vor und küsste mich sanft auf die Stirn.
Ich werde mich nie mehr vor Schmerz fürchten, glaube ich.
Ich habe den Gipfel überschritten.
Selbst wenn meine Hände nicht hinter dem Rücken gefesselt und meine Fußgelenke nicht zusammengebunden gewesen wären, wäre jeder Widerstand zwecklos, solange die Frau mich fest in den Armen hielt, außerdem hätte ich mir mein Fleisch dann nur noch weiter aufgerissen. Als Peg also das erste lange Knochenstück tief in den Muskel zwischen meiner linken Brustwarze und dem Schlüsselbein schob, es durch das zähe Fleisch bohrte und an der anderen Seite herauszog, schrie und heulte ich mit zusammengebissenen Zähnen und wartete darauf, dass es vorüberging, dass es gnädigerweise schnell ging, dass der stechende Schmerz, das Eindringen, die Bewegung aufhörten.
Und Peg trödelte nicht bei ihrer Aufgabe. Ich sah, dass es ihr keine Freude bereitete. Sie erfüllte ihre Pflicht, nur ihre Pflicht, konzentriert und ruhig. Sie ließ mich einen Augenblick durchatmen, mich ein wenig in den Armen der Frau entspannen, damit meine Brustmuskulatur zu beben aufhörte. Dann schob sie den zweiten Knochen durch meine rechte Brustseite.
Der dritte Knochen war kleiner. Aber genauso scharf.
Sie legten mich mit dem Rücken auf mein Reisiglager. Die Frau stand auf, hob meine Beine in die Luft und hielt sie unmittelbar über meinem Kopf fest.
Ich wusste, was nun geschehen würde. Peg hatte es mir erzählt. Ich zitterte.
»Faoi shiochain«, sagte die Frau. Ganz ruhig bleiben.
Und dann bohrte Peg den dritten Knochen vorsichtig durch die Unterseite meines Hodensacks.
Das ist jetzt ungefähr vier Monate her.
Die Ereignisse, die ich beschrieben habe, fanden im Juli statt. Nun ist es meiner Rechnung nach Oktober, irgendwas um Halloween herum. Aber hierher werden keine Kinder kommen und »Süßes oder Saures« rufen. Wir haben ein anderes verlassenes Haus nicht weit vom Meer im Wald gefunden. Aus meinem früheren Leben erinnere ich mich, dass die Wirtschaftskrise den Leuten übel mitspielte, und ich glaube, dass hat sich nicht geändert. Es ist ein gutes Haus. Vermutlich gammelt es erst seit ein paar Jahren vor sich hin. Es schützt uns vor dem Wetter. Peg sagt, wir seien fast an der kanadischen Grenze.
Sie haben mich mithilfe zweier Leinen hierhergeführt, die an den horizontalen Knochen in meiner Brust befestigt sind.
Vieh, wissen Sie noch?
Der dritte Knochen dient einem anderen Zweck.
Es stimmt, was man über Intimpiercings sagt.
Es macht mich zu einer effizienteren Kuh.
Doch das, was ich über den Schmerz gesagt habe, ist ebenfalls wahr. Ich werde nie mehr Angst davor haben. Ich schwöre, ich werde mir diese Knochen mit bloßen Händen aus dem Leib reißen, wenn es die kleinste Hoffnung auf Rettung gibt. Ein Jäger mit einem Gewehr. Ein Pfadfindertrupp, der durch den Wald streift. Ein Auto nachts auf der Straße über uns.
Es gibt einen alten, abgenutzten Schreibtisch hier, und ich lege diese Blätter in die Schublade, nur für den Fall, dass ich vorher sterbe oder den Verstand verliere.
Denn Darleen, die kleine Darleen, hatte vorgestern ihre erste Periode.
Und gnade mir Gott, ich bin das Vieh.
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