Beutewelt 03 - Organisierte Wut
die Bullen Artur und seine Leute einfach so durch die Stadt laufen lassen“, bemerkte Kohlhaas auf dem Rückweg.
„Ja, sicherlich ist in dieser Stadt im Norden Weißrusslands nicht die halbe Staatsgewalt versammelt, aber man sollte nicht glauben, dass sich unsere Feinde so einfach vorführen lassen. Das gibt auf jeden Fall Tote und Verletzte. Das ist Tschistokjow hoffentlich klar …“, sagte Alf und rieb sich grübelnd seinen dunklen Bart.
„Ja, das ist ihm klar. Aber er will um jeden Preis Aufsehen erregen und ins Fernsehen kommen. Sein eigenes Leben scheint ihm egal zu sein und das seiner Anhänger wohl auch. Gut, ich will nichts sagen. Ich habe vor einiger Zeit auch nicht viel anders gedacht“, antwortete Kohlhaas.
„Auf jeden Fall ist der Russe ein echter Fanatiker. Genau wie du, Frank!“, bemerkte Alf und trottete weiter in Richtung des Hauses.
„Wenn du das sagst, Alter! Aber ich halte mich auf jeden Fall da raus – und du solltest das auch tun!“
„Ich habe nicht vor, mich an dieser Sache zu beteiligen. Arturs Freiheitsbewegung ist noch viel zu schwach für eine solch provokante Machtdemonstration.“
Die beiden Männer gingen ins Haus und diskutierten beim Essen weiter. Kohlhaas ereiferte sich einmal mehr über Wildens Unvorsichtigkeit und Alf musste ihm Recht geben. Der Dorfchef sollte ihnen in den nächsten Tagen noch gehörig auf die Nerven gehen.
Herr Wilden rief zwei Tage später eine Vollversammlung aller Dorfbewohner in einer großen, alten Scheune zusammen, zu der einige aus Wut über ihn erst gar nicht erschienen. Hier verkündete er, dass die jungen Männer aus Ivas geschlossen zur Demonstration nach Nowopolozk fahren sollten. Er habe sich mit Artur Tschistokjow darauf geeinigt, erläuterte er barsch und verlangte, dass man seine Vorgaben widerspruchslos erfüllte. Daraufhin brach fast ein Tumult unter den Versammelten aus.
„Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, Herr Wilden? Dass sie einfach Fremde hier nach Ivas eingeladen haben, war mehr als unvorsichtig!“, schrie eine ältere Frau in die Runde.
„Sie hat Recht! Ehe wir uns versehen, laufen hier unbekannte Gesichter durch unser Dorf. Haben sie den Verstand verloren?“, fügte ein bärtiger Mann hinzu.
Der Ire, John Thorphy, kochte ebenfalls vor Wut und wäre Wilden am liebsten an die Gurgel gesprungen. „Du hast gesagt, niemand darf über Ivas etwas wissen. Und nun machst du so ein verdammte Scheiße!“
Frank und Alfred nickten, um sie herum murmelten und raunten die anderen Dorfbewohner. Der Anführer und Gründer der Gemeinschaft von Ivas sah sich überwiegend dem Unmut seiner Getreuen gegenüber und wurde zunehmend unsicherer. Damit hatte er nicht gerechnet.
„Erst schicken Sie meinen Sohn in den Krieg nach Japan, jetzt holen Sie diese Russen hier hin!“, keifte ihn eine korpulente Frau von der Seite an.
„Ich habe Ihren Sohn nicht in den Krieg geschickt! Er hat sich freiwillig gemeldet, Frau Müller!“, herrschte sie Wilden erbost an.
„Doch! Haben Sie!“
„Ruhig, Leute! Ihr könnt mir vertrauen. Habe ich euch jemals absichtlich in Gefahr gebracht? Artur Tschistokjow ist ein hervorragender Mann. Außerdem wird es Zeit, dass wir auch vor Ort beginnen, Widerstand zu leisten. Wir können hier nicht ewig unser Einsiedlerdasein genießen!“, tönte Wilden verärgert.
Seine Tochter Julia stellte sich neben Frank und schüttelte den Kopf: „Mein Vater spinnt langsam wirklich …“
„Diese Aktion ist vollkommen verrückt. Was ist, wenn einige von uns von der Polizei verhaftet oder gar über den Haufen geschossen werden? Für eine Demonstration in irgendeiner heruntergekommenen, weißrussischen Stadt?“, wollte einer der Dorfbewohner wissen.
„Ich glaube nicht, dass es so schlimm wird. Unsere Freunde haben die Aktion wirklich gut geplant und nach einer Stunde wird alles vorbei sein. Die Polizeipräsenz in Nowopolozk ist minimal.“
„Ach, ja? Woher willst du das denn wissen, Thorsten?“, schimpfte Bäumer.
„Das wird ja kein bewaffneter Sturm auf das Regierungsgebäude, sondern lediglich eine Demonstration, die Aufsehen erregen soll. Jetzt beruhigt euch endlich!“, fauchte der Dorfchef und strich sich durch seine grauen Haare.
„Du hättest uns wenigstens fragen müssen, ob wir das überhaupt alle wollen. Eine Zusammenarbeit mit diesem Tschistokjow und so weiter …“, bemerkte der Belgier Steffen deVries.
„Moment mal! Ich habe dieses verrottete, ehemals verlassene Dörfchen aufgekauft
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