Beutewelt 03 - Organisierte Wut
freiwillig mit sich machen lassen. Zwangsregistrierungen für die, welche sich diesem Mist verweigern, kommen wohl erst in näherer Zukunft.“
Alfreds Augen verrieten einen grenzenlosen Zorn. „Sie markieren uns wie Mastschweine! Ich hoffe, ich erlebe den Tag noch, wo sie dafür mit ihrem eigenen Blut bezahlen!“
„Sie werden irgendwann einen großen Teil der Bevölkerung mit diesen Chips umbringen, da bin ich mir sicher. Dann verkaufen sie es uns in den Medien als Seuche oder sonst was. Der ideale Weg, um das angebliche Überbevölkerungsproblem zu stoppen“, dozierte Frank.
„Wer mich mit diesem Scheiß registrieren will, dem blase ich vorher den Schädel weg!“, keifte Alf und krallte sich mit finsterem Blick an der Tischdecke fest.
John Thorphy besorgte in der folgenden Woche auf dunklen Kanälen in Moskau einige Kisten mit Munition und neuen MPs. Wilden hatte dafür wieder tief in die Tasche gegriffen und weitere Globes von seinen alten Bekannten zusammengetragen.
Frank, Alfred und etwa ein Dutzend Männer aus Ivas machten sich auf den Weg nach Mazyr im Süden Weißrusslands, um an einer Massenversammlung teilzunehmen. Tschistokjow hatte seinen Plan, das Land systematisch von Norden nach Süden aufzurollen, mittlerweile verworfen, nachdem der Protestmarsch in Pastavy als blutiges Fiasko geendet hatte.
Jetzt sprangen sie wieder von einem Teil Weißrusslands zum anderen, um den Behörden das rechtzeitige Zusammenziehen von massiven Polizeikräften an einem bestimmten Ort zu erschweren. Über 3000 Leute kamen schließlich nach Mazyr und bis auf kleinere Rangeleien mit den Polizisten verlief alles ruhig.
Die Anhänger der Freiheitsbewegung führten diesmal Transparente mit sich, auf denen stand: „Nur Artur Tschistokjow kann uns retten! Gebt ihm die Macht in Weißrussland!“
Der Politiker hatte sich mittlerweile halbwegs von dem Schrecken des Mordanschlags erholt, wusste aber, dass es ihn jederzeit wieder erwischen konnte. Von nun an warfen seine Ordner immer einen genauen Blick auf die Häuserdächer um sie herum.
Das Jahr 2034 neigte sich dem Ende zu und als sich die ersten Schneeflocken am Himmel über Ivas zeigten, kehrte erst einmal eine gewisse Ruhe ein.
Wilden hatte eine große Weihnachtsfeier organisiert, welche diesmal in der alten, renovierten Kirche im Zentrum des Dorfes veranstaltet wurde. Der größte Teil der Dorfbewohner kam und der Bau platzte aus allen Nähten. Artur Tschistokjow, dessen Familie nicht mehr existierte, besuchte sie und wirkte regelrecht sentimental, als er die Kirche betrat. Für einige Stunden hielten sie sich alle für ganz normale Menschen. Ein Gefühl, welches vielen mittlerweile fremd geworden war.
Auch Frank blieb diese schöne Weihnachtsfeier und Wildens ergreifende Rede, welche ausnahmsweise wenig mit Weltpolitik zu tun hatte, lange im Gedächtnis. Er war jetzt 33 Jahre alt und dachte in den langen Stunden der dunklen Winterabende viel über sein bisheriges Leben nach. Was hatte er erreicht – und was nicht?
„Ich bin so eine Art Held – und das war es auch schon“, sagte er manchmal zu sich selbst und wusste nicht, ob er sich wirklich darüber freuen sollte.
In Bezug auf seine persönlichen Ziele, wozu nun einmal auch eine Frau, die er liebte, und vielleicht irgendwann eine Familie zählten, hatte er bisher kaum etwas verwirklicht. Der Kampf gegen das Weltsystem, welcher niemals zu enden schien, fraß nicht nur seine Lebenszeit auf, sondern verschlang auch mit jedem verstreichenden Jahr ein weiteres Stück von ihm selbst. Das wurde dem jungen Mann vor allem im Zuge der berauschenden Silvesterfeier im Hause Wilden bewusst, als Viktor auftauchte und erneut verliebt mit Julia herumturtelte.
Kurz nach 24.00 Uhr, nachdem mehrere Dutzend Leute vor dem Haus des Dorfchefs auf das neue Jahr angestoßen hatten, zog sich Kohlhaas frustriert nach Hause zurück. Alf blieb noch einige Stunden und kam irgendwann früh morgens vollkommen betrunken nach Hause.
Anfang Februar begann der politische Kampf wieder in voller Härte. Der Gouverneur des Sektors „Europa-Ost“ verkündete den Anfang der Massenregistrierung der Bevölkerung durch die neuen Implantations-Scanchips. Mittlerweile war der Sub-Verwaltungsbezirk „Weißrussland-Baltikum“ zu einem Ort des millionenfachen Elends geworden. Der harte Winter hatte viele Opfer unter den Obdachlosen in den Großstädten des Landes gefordert. Auch wurde die Industrie immer weiter abgebaut und in Billiglohnländer
Weitere Kostenlose Bücher