Beutewelt 04 - Die Gegenrevolution
dominierten, wurden die Lebensmittelpreise jetzt immer weiter angehoben, während die Medien der Bevölkerung erklärten, dass Missernten und Transportprobleme diese Maßnahmen notwendig machten.
Weiterhin wurden dem Verwaltungssektor „Europa-Ost“ Schritt für Schritt die Gelder durch den „Global Trust Fond“ entzogen, was auf Dauer zu dessen völliger Zahlungsunfähigkeit führte. Die Medien berichteten von geplanten Schließungen und Stilllegungen großer Industrieanlagen, was die Angst der Bevölkerung vor dem Verlust des Arbeitsplatzes ins Unermessliche steigerte. Innerhalb eines Monats erschütterte „Europa-Ost“ eine Welle aus Unsicherheit und Wut. Den Kollektivisten spielte das jedoch in die Hände und so hatten es die Hintergrundmächte auch vorhergesehen.
Uljanin entfaltete in dieser Zeit eine fieberhafte Aktivität und schwarz-rote Fahnenmeere wälzten sich durch ganz Russland. Allerdings profitierten auch die Rus von der allgemeinen Unzufriedenheit, wobei sie nicht ansatzweise so frei wie ihre Gegner agieren konnten.
Tschistokjows Anhänger setzten ihre ständigen Werbeaktionen trotzdem beharrlich fort und gingen, wo es möglich war, ebenfalls auf die Straße. Die üblichen Zusammenstöße mit ihren Rivalen, die einmal mehr eine Reihe von Menschenleben forderten, gehörten dazu.
Der Mai des Jahres 2037 brach an und mit ihm eine noch verschärftere Krise. Die Lebensmittelpreise verdoppelten sich auf einen Schlag und die Zahl der Erwerbs- und Obdachlosen kletterte mit rasender Geschwindigkeit nach oben.
In vielen Regionen Russlands versanken die Menschen in einem Zustand aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Millionen Menschen sahen Uljanin inzwischen als ihren Erlöser und dieser trieb die verwahrlosten Massen wie Schafherden in seine Organisation. KKG-Trupps übernahmen die Macht auf den Straßen der großen Metropolen und die Polizei musste sie auf Befehl von oben gewähren lassen.
Wo die Rus auftauchten, fielen die Kollektivisten mit rasender Wut über sie her und blieben in den meisten Fällen aufgrund ihrer größeren Anzahl siegreich. Am 15. Mai redete Vitali Uljanin schließlich vor einer gewaltigen Menschenmenge in Moskau.
„Wir sind bald stark genug! Es dauert nicht mehr lange, dann wird ganz Russland von der Volksrebellion überrannt und der Kapitalismus vernichtet werden!“, predigte er und unzählige Moskauer jubelnden ihm überschwänglich zu.
„Unsere Lehre werden wir in jeden Winkel der Welt tragen! Dann gibt es nur noch Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit – das Himmelreich auf Erden! Nie mehr Armut! Nie mehr Hunger! Nur noch Frieden und Glück!“, rief Uljanin den Verzweifelten zu.
Die Menschen hoben die Fäuste und schwangen ihre Fahnen. Viele von ihnen schienen inzwischen bereit zu sein, dem Kollektivistenführer selbst bis in die Hölle zu folgen.
„Wir werden alle gleich machen! Ungerechtigkeit kann es nur geben, weil es noch Unterschiede gibt. Es gibt noch immer verschiedene Klassen, Kulturen, Völker und Religionen. In einer Welt des Kollektivismus wird es nur noch Gleichheit geben! Gleichheit und ewiges Glück!
Wir werden keine sozialen Unterschiede mehr dulden und kein Privateigentum mehr zulassen! Alles wird nur noch Euch gehören! Euch, dem Volk!
Die Völker der Erde werden wir zu einer Einheit zusammenschmelzen lassen, die verschiedenen Religionen werden wir beseitigen, die vielen Kulturen werden wir zu einer einzigen Weltkultur machen!
Ihr, die Armen und Unterdrückten, werdet nicht nur alle Macht erringen, nein, ihr werdet die Reste der alten Welt in Russland mit Stumpf und Stiel ausreißen. Und dann wird alles gut sein! Dann errichten wir die neue Ordnung der ewigen Gleichheit und Gerechtigkeit!“
„Gleichheit und Gerechtigkeit!“, antwortete die Masse im Chor und der Asphalt erbebte unter dem Donnerhall tausender Kehlen. Er erbebte unter endloser Verzweiflung und brutaler Entschlossenheit.
„Sie dir das an! Wieder Uljanin, wieder riesige Menschenmassen!“, sagte Frank und deutete auf den Bildschirm.
Wilden schritt durch seine Wohnung in der Minsker Innenstadt und überlegte. „Die Revolution in Russland wird kommen …“
„Allerdings nicht unsere!“, fügte Kohlhaas hinzu.
„So ist es! Der Kollektivismus soll dem russischen Volk den Todesstoß versetzten und es aus der Geschichte tilgen. Dann fällt auch der Osten Europas und sein letztes Volk, dessen Substanz noch nicht ganz zerstört ist, endgültig. Es ist alles von oben
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