Beutewelt 04 - Die Gegenrevolution
Ostrusslands.
Am 12. Juni begab sich Uljanin nach Kasachstan und rief in Astana den „Sieg des Volkes“ aus. Seine KKG-Verbände hatten das Land wie ein Heuschreckenschwarm überschwemmt, schlugen jeden Widerstand mit brutaler Gewalt nieder und führten ihren Feldzug bis nach Usbekistan. Die nichtrussische Bevölkerung dort strömte dem Kollektivistenführer mit besonderer Begeisterung zu und schloss sich seinen KKG-Trupps an, immerhin hatte ihr der spitzbärtige Mann zahlreiche Privilegien und bevorzugte Siedlungsgebiete in Russland versprochen.
Die Medien berichteten über den Umsturz im Osten des Verwaltungssektors „Europa-Ost“ verblüffend sachlich und emotionslos. Obwohl Uljanin den Mächtigen des Landes immer wieder gedroht hatte, wurden seine revolutionären Maßnahmen und die vielfachen Gewalttaten seiner Anhänger in den Fernsehberichten kaum verurteilt. Wenn sich ein Reporter „besorgt“ zeigte, so wirkte sein angeblicher Schrecken über die herannahenden Revoluzzer lediglich aufgesetzt und gespielt.
Bis Ende Juni waren die sibirischen Metropolen Omsk, Novosibirsk und Krasno-Jarsk in den Händen der Kollektivisten. Hier kam es im Vorfeld zu schweren Unruhen zwischen Russen und Asiaten, die jedoch von KKG-Verbänden niedergeschlagen wurden.
Alle wichtigen Zentren Ostrusslands waren Anfang August schließlich unter die Kontrolle Uljanins gebracht worden. Dann nahm er sich den Rest des Landes vor. In Jaroslavl und Tver, nördlich von Moskau, stürmten die schwarz-roten Massen in diesen Tagen durch die Straßen und machten Jagd auf ihre politischen Gegner und jene Polizisten, die sich nicht rechtzeitig zur Flucht gewandt hatten. Kein GCF-Soldat ließ sich während der Unruhen blicken, denn sie waren alle abkommandiert worden.
Hunderte von Menschen wurden von den außer Kontrolle geratenen KKG-Männern in Jaroslavl und Tver getötet und die beiden Städte verwüstet. Uljanin störte das nicht.
„Das gehört eben zu einer Revolution dazu!“, verkündete er zynisch.
Frank und Alf befanden sich wieder in Minsk. Kohlhaas hatte sich nun endlich auch eine Zweitwohnung im Westen der Hauptstadt besorgt und diese notdürftig eingerichtet. Er nannte sie seine „Arbeitswohnung“, denn er fühlte sich nach wie vor in Ivas zu Hause.
Die beiden verharrten nunmehr bereits seit Tagen mit Entsetzen und Verwunderung vor der Fernsehkiste und verfolgten die Vorgänge in Russland.
„Uljanin überrennt das ganze Land und sie werden ihn in Ruhe die Macht übernehmen lassen!“, schnaufte Frank und nippte an seiner Bierflasche.
„Das ist alles ein verlogenes Spiel!“, brummte Alf.
„Es hat gestern sogar in Paris eine Kundgebung von Kollektivisten gegeben und die Bullen haben sie gewähren lassen. Kannst du dich noch erinnern, was sie dort nach unserem Anschlag auf Wechsler mit den aufständischen Bürgern gemacht haben?“
„Ja, natürlich kann ich das!“, spie Bäumer zornig heraus.
„Was sollen wir denn jetzt tun? Warten bis ganz Russland und morgen auch der Rest Europas von den Kollektivisten überschwemmt wird?“, jammerte Kohlhaas.
Bäumer wusste keine Antwort. Allerdings wusste Artur Tschistokjow eine und ließ seinen General am nächsten Tag zu sich rufen.
Frank ging durch die Eingangstür des pompösen, alten Hotels „Sonnenblick“ im Herzen von Minsk. Ein Portier in blauer Uniform nickte ihm lächelnd zu und geleitete ihn in die obere Etage. Der junge Mann näherte sich einem großen Konferenzsaal und hörte Artur Tschistokjow schon von draußen auf Russisch wettern.
„Ah, General Kohlhaas!“, bemerkte der Revolutionsführer als Frank zur Tür hinein kam. Das war alles, was er zu dessen Verspätung zu sagen hatte.
Die anderen waren schon da. Das gesamte Kabinett des Staates Weißrussland und der drei baltischen Zwergstaaten, sowie die komplette Führungsspitze der Freiheitsbewegung der Rus.
Artur redete heute nur Russisch. Diesmal gab es keine Sonderbehandlung für seine beiden deutschen Mitstreiter. Franks Sprachkenntnisse waren allerdings mittlerweile so gut, dass er kaum noch Verständigungsprobleme hatte.
„Russland befindet sich im Chaos. Die kapitalistisch-kollektivistische Seilschaft arbeitet Hand in Hand, Uljanins Massenbewegung bewegt sich von Ost nach West und rollt langsam das ganze Land auf.
Bald wird die schwarz-rote Flut sogar in Moskau und St. Petersburg allen Widerstand hinweggespült haben. Aufhalten wird sie außer uns keiner!“, donnerte er.
Dr. Gugin meldete
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