Beutewelt 04 - Die Gegenrevolution
Kontrahenten wandte sich nun auch zur Flucht. Aufgeregter Jubel brandete durch die Reihen der Rus, obwohl einige von ihnen schwer verletzt waren und sich die blutenden Köpfe hielten. Bald konnten Tschistokjows Anhänger endlich weiterziehen und Puschkin wieder verlassen. Für heute griffen ihre Gegner nicht mehr an. Zwar wurden noch einige Rus auf dem Nachhauseweg von Kollektivisten überfallen, doch konnte Tschistokjows Freiheitsbewegung an diesem Tag ohne Zweifel von einem Erfolg sprechen. Es war den Anhängern Uljanins nicht gelungen, ihren Protestmarsch durch den Süden von St. Petersburg zu verhindern.
Die schwarz-roten Gegner waren vertrieben worden und die Kundgebung der Rus hatte wie geplant beendet werden können. Trotzdem hatten Tschistokjows Anhänger auch einige Tote zu beklagen. Etwa 60 Waräger waren von den KKG-Leuten erschossen worden, deren Verluste waren allerdings bedeutend höher.
„Wir haben uns Respekt verschafft!“, knurrte Kohlhaas nach dem blutigen Straßenkampf und sprach von einem großen Sieg. Das Gleiche tat auch das weißrussische Fernsehen und die Zeitungen des Landes. „Schwarz-rote Terrorbanden verjagt!“, titelte die Staatszeitung. Die kollektivistischen Zeitungsorgane hingegen schworen bittere Rache und gelobten Vergeltung.
Zwei Tage später machten sich Frank und Alfred auf den Weg nach Ivas. Svetlana aus Minsk kam diesmal auch mit, Bäumer schien sich richtig verliebt zu haben.
Den ganzen Tag hörte Kohlhaas schon das Lachen und Turteln der beiden im oberen Stockwerk und wirkte langsam sichtlich genervt.
Murrend zog der General die Zimmertür zu, nachdem er sich den Fernseher vor das Bett gestellt hatte. Gegen Mittag machte er sich auf den Weg zu HOK, um mit ihm noch eine Runde Battle Hammer zu spielen.
Es war ein schönes und entspannendes Spiel, obwohl Kohlhaas von seinem korpulenten Gegenspieler erneut gehörig in die Mangel genommen wurde und seine Orks von der Spielplatte gefegt wurden.
„Ich muss die Regeln noch einmal durchlesen“, gab Frank kleinlaut zu, als sie fertig waren.
HOK grinste nur. Der Informatiker hatte ja auch wesentlich mehr Zeit als er, die Spielanleitung von Battle Hammer akribisch zu studieren. Letztendlich schnappte sich der geschlagene Rebell noch einen Haufen neuer Miniaturen, die ihm HOK im Internet ersteigert hatte, und machte sich dann auf den Weg nach Hause, wo ihn Alf und Svetlana als glücklich grinsendes Pärchen erwarteten.
Sie hatten einen Kuchen gebacken und präsentierten ihn stolz, als er zur Haustür hereinkam. Es war eine skurrile Szene: Die süße Svetlana und der riesige Alf in Schürzen vor dem alten Backofen. Frank musste schmunzeln.
Er bemalte noch einige seiner Figuren und versuchte das liebevolle Geschnatter in der Küche nicht weiter zu beachten. Doch irgendwie gelang es ihm nicht ganz, die beiden Verliebten gänzlich zu ignorieren.
„Morgen unternehme ich etwas mit Julia“, nahm er sich noch fest in Gedanken vor und schlief dann irgendwann ein.
„Na, auch wieder im Lande?“, sagte Julia grinsend, als sie Frank, für seine Verhältnisse ordentlich gekämmt und geschniegelt, an der Haustür abholte.
„Ja, sicher!“, kam leise zurück.
Sie umarmte ihn und schlug vor, nach Kaunas, der nächsten größeren Stadt in der Nähe von Ivas zu fahren, um mit Frank ein Theaterstück anzusehen.
„Nach Kaunas?“ Der Rebell stutzte.
„Ja, da läuft doch heute „Romeo und Julia“. Das würde ich gerne mal sehen“, schwärmte die Schönheit.
„Was ist denn das für ein Theaterstück?“, fragte Kohlhaas skeptisch.
„Ach, das finde ich total toll! Es geht um eine verbotene Liebe zwischen zwei jungen Menschen“, erklärte Julia mit einem erwartungsvollen Lächeln.
„Verbotene Liebe?“ Frank war verwirrt.
„Ja, ist das nicht romantisch? Und als Theaterstück habe ich es noch nie gesehen. Nur einmal als Film!“
„Wir können ja auch bei Steffen de Vries rumhängen“, schlug der junge Mann vor und wirkte hilflos.
„Nix da!“, hörte er. „Sei doch einmal spontan und nicht immer so ein Klotzkopf!“
„Klotzkopf?“
„Immer zu Steffen de Vries zu gehen, ist doch total langweilig. Ich fahre mit dem Auto meiner Mutter. Aber du solltest dir noch ein paar schönere Sachen anziehen, Frank!“
Kohlhaas verzog seinen Mund. „Noch schönere?“
„Wenn man ins Theater geht, dann sollte man sich auch entsprechend kleiden, Herr General!“, erklärte Julia und wirkte so altklug wie ihr
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