Beutewelt 05 - Bürgerkrieg 2038
von Uljanins Soldaten erschallten meilenweit. Aus dem gewaltigen Meer der Soldaten ragten die Rohre mobiler Geschütze heraus und gewaltige Staubwolken wirbelten auf, als sich die Armee endlich in Bewegung setzte. Die riesige Horde wirkte undiszipliniert, geradezu archaisch. Kilometer um Kilometer wälzte sie sich weiter vorwärts nach Westen. Abertausende von aufgehetzten und höchst aggressiven Männern, denen Uljanin in ihrer Verzweiflung als Erlöser erschien, feuerten in die Luft, brüllten ihre Kriegsschreie und sangen Lieder der Zerstörung und des Blutvergießens. Der Westen Russlands sollte zuerst von ihrer rohen Gewalt zermalmt werden. Doch das würde erst der Anfang einer noch viel größeren Umwälzung werden, so gelobte es Uljanin.
Eine Woche später rückte die Hauptstreitmacht Tschistokjows aus St. Petersburg ab und stieß in das karge, ländliche Gebiet nahe der Stadt Vyborg vor. Im Eiltempo bewegte sich die ebenfalls sehr große Armee weiter nach Nordwesten, um sich an der Flanke der von Theodor Soloto geführten Nordstreitmacht der Kollektivisten zu postieren. Frank und Alfred waren als führende Offiziere bei den motorisierten Warägern, welche die Vorhut des gewaltigen Heereswurms bildeten.
Während sich Solotos Streitkräfte von Vologda aus nach Norden bewegten, um St. Petersburg zu belagern, marschierte die große Armee der Rus an der Nordküste des Lagoda und Onega Sees entlang und zog dann weiter nach Osten. Erst in der zweiten Aprilwoche erreichte die Armee das unwirtliche Gebiet, wo Wolga und Sukhona zusammenflossen.
Hier trafen die vorauseilenden Waräger auf die ersten kollektivistischen Kampfverbände, die sie an der Überquerung des Flusses zu hindern versuchten. Erschöpft und von Regen und Schlamm gepeinigt, stürzten sie sich in den Kampf.
Inzwischen hatte Theodor Soloto das von kaum 250.000 Rus verteidigte St. Petersburg erreicht und ließ seine Armee den Westteil der Stadt belagern. Dann brandete das größte Heereskontingent der Kollektivisten gegen die Abwehrfront nahe der weißrussischen Ostgrenze und spülte wie eine zornige Welle sämtlichen Widerstand hinweg. Ähnlich verlief es auch in der Ukraine, wo die Kollektivisten die Stellungen der Rus mit einer fünffachen Übermacht angriffen. Und schließlich blies auch die GCF im Westen zur Attacke und versuchte nach Weißrussland und in die Ukraine einzudringen. Jetzt musste Tschistokjows Plan einer Umfassungsschlacht schnellstens in die Tat umgesetzt werden, sonst gab es keine Hoffnung mehr.
Als die kollektivistischen Soldaten, die den Übergang über die Sukhona verteidigten, die volle Größe der nachrückenden Streitmacht erblickten, zogen sie sich nach Westen zurück. Die Warägergarde jagte ihnen auf Lastwagen und in leichten Transportpanzern hinterher und machte unzählige von ihnen nieder. Dann folgte ihnen fast die gesamte Panzerwaffe Tschistokjows, die sich wie eine stählerne Wand durch die russische Weite schob.
Boris Titov, der Oberbefehlshaber der Hauptstreitmacht Tschistokjows, ein Rus der ersten Stunde, peitschte seine erschöpften Soldaten zu einem noch schnelleren Vormarsch an und die Männer hasteten tagelang durch Regen und Matsch, dicht auf den Fersen ihrer Feinde.
General Kohlhaas befehligte diesmal sämtliche Waräger, inzwischen nicht weniger als 50.000 Mann, und stieß mit seinen Männern als erster auf die Nachhut der kollektivistischen Nordarmee. Es entbrannte ein Kampf gewaltigen Ausmaßes.
Thorsten Wilden war heute in den frühen Abendstunden von einigen Flakhelfern aus seiner Wohnung im Zentrum von Minsk geholt und an den Rand der weißrussischen Hauptstadt gefahren worden. Sie hatten ihn vor einem offenbar bevorstehenden Bombenangriff der kollektivistischen Streitkräfte gewarnt und den Außenminister gebeten, sich außerhalb der Stadtmitte in einem Bunker in Sicherheit zu bringen. Was die weißrussische Aufklärung genau herausgefunden hatte und welche Dimension dieser Bombenangriff haben würde, wusste Wilden zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch er sollte es im Laufe dieser turbulenten Nacht erfahren.
Der ältere Mann, der in seinem Leben selbst schon viel Leid erfahren hatte und mittlerweile auf das 68. Lebensjahr zuging, wusste nichts vom echten Krieg. Er kannte ihn nur aus Franks Schilderungen oder alten Büchern. Heute jedoch sollte er den Schrecken eines bewaffneten Konfliktes hautnah erleben.
„Sie sollten besser nach unten in den Bunker gehen, Herr Außenminister!“, warnte ein
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