Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
freundlicher.“
„Was ist er für ein Mensch? Welche Aura hat er?“, redete ein Großbankier dazwischen.
„Jetzt bitte keine Zwischenfragen! Darauf komme ich später zurück“, fuhr ihn der Weltpräsident an. Er erzählte seinen Brüdern in allen Einzelheiten von dem ersten Friedensgespräch; diese lauschten gespannt, wirkten erstaunt. Was die Führungsköpfe des Geheimbundes, die obersten 12 Auserwählten und Weisen, jetzt hörten, stimme sie, wenn sie diesen Gemütszustand überhaupt kannten, fröhlich.
Der russische Staatschef hatte offenbar charakterliche Eigenschaften, die ihn gegenüber denen, die keinen Charakter besaßen, verwundbar machten. Warum sollte man Artur Tschistokjow weiter mit offenem Hass begegnen, wenn man als „Freund“ viel leichter in sein Haus gelangen und ihn erdrosseln konnte, gab der Weltpräsident zu bedenken. So hatten es die Vorgänger der hier versammelten Großmeister in den alten Zeiten, noch bevor die Organisation die Weltherrschaft erlangt hatte, häufig gehandhabt. Sie waren nun einmal die Meister der Lüge und Verdrehung, denn diese Waffen waren oft viel gefährlicher und wirksamer als die größten Armeen.
„Tschistokjow hat tatsächlich gesagt, dass er über Handelsbeziehungen mit uns nachdenkt“, höhnte der Weltpräsident und bösartiges Gelächter schallte ihm aus allen Richtungen entgegen.
„Sicherlich versucht auch er nur zu bluffen, Bruder!“, gab einer der Anwesenden zu bedenken, doch der Vorsitzende des Rates entgegnete ihm sofort, dass sich der russische Staatschef damit in ein Gebiet begeben würde, in dem ihn der sichere Untergang erwartete.
„Ja, natürlich hat er mir beim ersten Treffen nicht sofort aus der Hand gefressen und mir zu vermitteln versucht, dass auch er noch Trümpfe in der Hand habe, aber das war beinahe kindisch. Ich habe diesen Mann, seine Blicke und Gesten studiert, während er mir gutgläubig und naiv von seinen Friedenshoffnungen erzählt er. Tschistokjow glaubt tief im Inneren tatsächlich daran und das wird der Schlüssel sein, um ihn zu vernichten.“
„Wenn das so ist…“, murmelte ein Ratsmitglied dazwischen.
„Ich bin mir fast sicher, dass es so ist. Artur Tschistokjow ist im Grunde eine direkte und ehrliche Haut. Er konnte mir nicht viel vormachen und ich denke, dass der Rat der Weisen auf einem guten Weg ist, wenn er diesen Mann weiter umgart, so dass er gar nicht bemerkt, wie wir die Auslöschung seines Nationenbundes vorbereiten und unbeirrt weiter vorantreiben!“, erläuterte der Weltpräsident mit einem selbstgefälligen Lächeln.
Derweil erhob sich der Vorsitzende des Rates und sah über die Köpfe der ihm untergeordneten Weisen hinweg. Dann räusperte er sich, gab seinem Stellvertreter per Handzeichen die Anweisung zu schweigen.
„Vielen Dank, Bruder! Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir bei Tschistokjow die Friedenstaktik anwenden. So wie ich es auch glaube, kommen wir damit wesentlich weiter, als wenn wir ihm durch unser Verhalten das Feindbild liefern, das er erwartet. Ich befehle hiermit, die Friedensverhandlungen fortzusetzen.“
Einige Minuten später war die Zusammenkunft beendet und die Ratsmitglieder verließen das Chicagoer Hotel in der festen Überzeugung, dass Artur Tschistokjow ihren Verdrehungskünsten und Schmeicheleien auf Dauer hoffnungslos unterlegen sein würde.
Der Rest des Jahres 2042 verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Die Hetze gegen den Nationenbund der Rus hatte inzwischen stark nachgelassen und auch der Anführer der Rus wies die Medien in seinem Herrschaftsbereich an, hauptsächlich über innenpolitische Themen zu berichten. Und davon gab es mehr als genug, denn der russische Souverän nutzte die Entspannungsphase, um den Aufbau seines Landes unbeirrt voran zu treiben.
Mittlerweile hatte sich die Industrie weiter erholt und die Arbeitslosigkeit war in noch größerem Maße zurückgegangen. Im verschneiten Januar des folgenden Jahres lud die Freiheitsbewegung ihre Anhänger zu einer großen Saalveranstaltung nach Kiew ein und Artur Tschistokjow unterstrich bei seiner bejubelten Rede einmal mehr den Erfolg seiner Innenpolitik.
Einen Monat später trafen sich das Staatsoberhaupt des Nationenbundes der Rus und der Weltpräsident erneut. Diesmal kam der mächtigste Mann des Weltverbundes nach Minsk, wo er mit einer großen Parade begrüßt wurde. Artur Tschistokjow und er ließen diesmal die Öffentlichkeit direkt an ihrem Gespräch teilhaben und Hunderte von
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