Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
sogar Julia einige Lacher entlockte.
Im Grunde konnte er froh sein, dass er überhaupt so alt geworden war, denn Frank war dem Tod in seinem bisher so turbulenten Leben mehr als einmal von der Schippe gesprungen.
„Was machen wir denn heute noch?“, wollte Bäumer wissen und torkelte schon stark angeheitert durch das Wohnzimmer.
„Saufen und vergessen!“, witzelte das Geburtstagskind, das Glas auf sich selbst erhebend.
„Ey, Fränk! Komm mal mit!“, flüsterte Alf und zog ihn an der Schulter fort.
„Was ist denn los?“
„Komm mal mit. Ich kann das hier nicht vor allen sagen“, wisperte ihm der Freund ins Ohr.
„Habt ihr beide Geheimnisse vor uns?“, kam von Julia.
„Das geht nur Männer was an“, betonte Bäumer. Dann ging er mit Frank in den Nebenraum.
„Wat denn?“ Kohlhaas war ebenfalls schon beschwipst, obwohl es noch nicht einmal Nachmittag war.
„Ich…ich glaube, dass Svetlana schwanger ist…“, erklärte Alf leise.
„Schwanger? Wie kommst du darauf?“
„Die hat halt keine Tage mehr. Du weißt, was ich meine.“
„Echt?“
„Ja!“
„Morgen will sie einen Schwangerschaftstest machen. Vielleicht werde ich auch bald Vater.“
Frank grinste. „Du bist ja auch fast zwei Jahre älter als ich, also sieh zu. Wird langsam Zeit, Mann.“
„Das wäre geil, was?“
„Auf jeden Fall, Alf!“
Kohlhaas ging wieder zurück ins Wohnzimmer und setzte sich an den Tisch, während ihm Bäumer glücklich lächelnd hinterher trottete.
„Und, was gab es so Wichtiges zu besprechen, meine Herren?“, erkundigte sich Agatha Wilden.
„Nichts! Schon gut!“, antwortete Alf verlegen.
„Gar nichts…“ Frank winkte ab, schmiegte sich an Julia.
„Die Volkszeitung der Rus hat dich übrigens als „Weißrusslands besten Soldaten“ bezeichnet und dir gratuliert, Frank. Hast du denn Artikel schon gelesen?“, fragte Wilden.
„Mache ich morgen!“, gab dieser zurück. „Wo ist der Junge eigentlich?“
„Der ist in seinem Zimmer und spielt mit deinen Battle Hammer Figuren“, antwortete Julia.
„Was?“, rief Frank und sprang von seinem Stuhl auf.
„Ja, dafür sind sie doch da, oder?“
Kohlhaas sprintete ins Kinderzimmer und erblickte den kleinen Friedrich, der einige von Franks liebsten Zinnminiaturen auf einer kleinen Burg aus Plastik aufgestellt hatte und sie nun mit einem Bällchen bewarf.
„Tsssiuuu!“, machte Friedrich und die seltenen Sammlerstücke purzelten über den Teppich.
„Julia!“, brüllte Frank entsetzt. Sein Sohn grinste ihn an.
„Guck mal, Papa, das ist eine Kanone und die schießt auf die Monster in der Burg“, erklärte der Kleine.
„Na, toll!“, murmelte Vater Kohlhaas, die Augen verdrehend. Dann machte er sich daran, die Einzelteile seiner Figuren aufzusammeln.
Der Rest des Jahres 2044 verging, und von kleineren Problemen, wie ramponierten Zinnminiaturen oder dem Älterwerden einmal abgesehen, lebten Frank und seine Freunde glücklich und zufrieden vor sich hin. In regelmäßigen Abständen begab sich Kohlhaas nach St. Petersburg oder Minsk, um seine Waräger auf Vordermann zu bringen oder an wichtigen politischen Sitzungen teilzunehmen. Meistens verband er diese Dinge mit dem Angenehmen und nahm Julia und Friedrich mit auf seine Dienstreisen.
Für den März 2045 hatte sich der Weltpräsident erneut angekündigt, um mit Artur Tschistokjow die Abrüstungsfrage zu besprechen. Im Dezember 2044 hatte der Weltverbund noch einmal hochrangige Diplomaten nach Tokio geschickt, um auch den Kontakt zu Präsident Matsumoto weiter zu pflegen.
Artur Tschistokjow hatte den Aufbau einer eigenen Atommacht bereits in der Endphase des russischen Bürgerkrieges im Geheimen eingeleitet, denn ihr maß er oberste Priorität zu. Nach und nach ließ er an verschiedenen Orten seines weiträumigen Reiches neue Atomwaffenlager und Stützpunkte errichten, meist unterirdisch. Bis zum Jahre 2045 waren eine Reihe neuer Nuklearwaffenbasen von der Insel Novaja Semlja im Nordmeer bis zu den Einöden vor dem Uralgebirge erbaut worden.
Der abtrünnige Staatsmann hatte die Bedeutung eines eigenen Atomwaffenarsenals schon lange erkannt, denn es war vollkommen unrealistisch zu glauben, dass Russland im Falle eines Konfliktes mit der Weltregierung, deren Raketenreservoir noch um ein Vielfaches größer war, auf die furchtbaren Waffen verzichten konnte.
Allein die Vorstellung, dass derartige Mittel eines Tages wirklich einsetzt werden müssten, quälte Tschistokjow sehr. Doch er
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