Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
später besuchte Frank seinen neuen Bekannten schließlich in seinem Dorf nahe Klinsty und war von den freundlichen Bewohnern, die ihm genau wie Ludwig Orthmann mit größter Bewunderung begegneten, positiv beeindruckt.
Wenig später sorgte Kohlhaas dafür, dass auch Wilden den gebildeten und freundlichen Flüchtling aus der alten Heimat kennenlernte, was jenem regelrecht den Atem verschlug. Ludwig Orthmann konnte es kaum fassen. Er hatte nicht nur die Bekanntschaft des berühmten Frank Kohlhaas machen dürfen, sondern wurde jetzt sogar keinem Geringeren als dem Außenminister des Nationenbundes - zugleich Franks Schwiegervater in Spe - vorgestellt.
Der gekaufte Anführer?
Wilden ließ die Regierungsgeschäfte für dieses Jahr endlich einmal ruhen und stattete Frank, seiner Tochter und dem kleinen Friedrich noch einen Besuch in Minsk ab, bevor sie alle zusammen nach Ivas reisen wollten, um dort das Weihnachtsfest zu verbringen. Nun sollte der Außenminister auch Ludwig Orthmann kennenlernen, der bei Frank übernachtet hatte und immer nervöser wurde, als ihm Kohlhaas erklärte, dass Wilden jeden Moment eintreffen würde.
„Er ist ein ganz normaler Mensch, genau wie ich“, beruhigte Frank seinen Gast und brachte ihm noch eine Tasse Kaffee aus der Küche.
„Seit wann bist du normal, Hasi?“, kam es von der Seite. Julia grinste Orthmann zu.
„Da, Herr Ludwig…“, sagte Friedrich und legte diesem einen Teddybär in den Schoß.
„Was soll das denn?“, wunderte sich Frank.
„Das ist ein Geschenk!“, trällerte sein kleiner Sohn. Er flitzte zurück ins Kinderzimmer.
„Siehst du, Ludwig, selbst Friedrich macht sich keinen Stress“, scherzte Kohlhaas und der Flüchtling aus Deutschland schmunzelte.
„Ein Teddy! Dann kann ja nichts mehr schief gehen“, bemerkte Orthmann leise.
Plötzlich klingelte es an der Tür, dann kam jemand das Treppenhaus hochgelaufen. Ludwig Orthmann stand auf, postierte sich mit aufgeregt pochendem Herzen an der Eingangstür. Schließlich kam der Außenminister herein und begrüßte Frank, Julia, seinen vor Freude hüpfenden Enkel und den ihm noch unbekanntem Mann aus Europa-Mitte.
„Guten Tag, Herr Außenminister! Mein Name ist Ludwig Orthmann und ich bin aus Deutschland!“, sagte jener verlegen.
„Thorsten Wilden! Ich bin erfreut, endlich noch einmal einem Landsmann die Hand schütteln zu können“, antwortete der ältere Herr, sich leicht verneigend.
„Opa, guck mal!“, quiekte Friedrich. Der Außenminister bekam eine kleine Plastikfigur in die Hand gedrückt.
„Danke, Friedrich!“, gab Wilden zurück und tätschelte den kleinen Kerl zärtlich.
„Er hat heute seinen spendablen Tag“, erläuterte Julia.
„Mir hat er eben einen Teddy überreicht“, fügte Orthmann hinzu.
Es dauerte nicht lange, da hatte Wilden, der sich stets für sämtliche Neuigkeiten aus aller Welt interessierte, den politischen Dissidenten aus dem Verwaltungssektor Europa-Mitte schon in ein Gespräch verwickelt und dieser wirkte zunehmend gelöster. Bald redeten beide munter drauf los, denn der Außenminister löcherte den erst 2045 aus Deutschland geflohenen Gast mit zahllosen Fragen bezüglich der Verhältnisse in seinem alten Heimatland.
Mit einer Mischung aus Interesse und immer wieder aufkeimendem Entsetzen hörte Wilden den stundenlangen Berichten seines Landsmannes zu. Ludwig Orthmann betonte, dass die Deutschen inzwischen zwar ärmer denn je wären, ihnen aber jedes Selbstvertrauen fehlte. Die jahrzehntelange Gehirnwäsche durch die Medien hatte sie in ein verängstigtes und lethargisches Volk verwandelt, dass sich selbst schon lange aufgegeben hatte und in einem Zustand aus Verzweiflung und Ohnmacht vor sich hin zerfiel.
Aber bei den Franzosen wäre es ähnlich, meinte Orthmann, denn von der ehemaligen Grande Nation war auch nicht viel mehr als ein verrottetes, krisengebeuteltes Land, das von einer multiethnischen Sklavenmasse bewohnt wurde, übrig geblieben.
„Ganz schlimm ist es bei den Engländern“, erklärte der deutsche Flüchtling, „denn sie haben ihre Selbstständigkeit schon vor langer Zeit aufgegeben und sind der Weltregierung wie kein anderes Volk ergeben, obwohl sich ihr Land ebenfalls in völliger Agonie windet. Fast 90% von ihnen haben inzwischen implantierte Scanchips unter der Haut. Die Briten, die vor langer Zeit einmal ein weltumspannendes Empire besessen haben, sind heute nur noch ein Häufchen versklavter Zombies; sie führen jeden Befehl der
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