Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
Euphorie ihrer geschundenen Landsleute spüren, hören und sehen konnten. Für einen Tag vergaßen sie, was sie noch an Schrecken und Blutvergießen in den kommenden Wochen erwartete und gaben sich ganz dem unbeschwerten, befreienden Siegestaumel in den Straßen der Elbstadt hin.
Auch Ludwig Orthmann und einige Dutzend weitere Freiwillige aus Deutschland stießen in Dresden zu ihnen und waren von dem Meer aus Deutschlandfahnen, das vor ihren Augen wogte, hingerissen. Manchmal musste Frank ein wenig schmunzeln, wenn er sah, wie einige junge Leute sogar die Drachenkopffahnen der Freiheitsbewegung schwangen oder Porträts von Artur Tschistokjow durch die Gassen trugen.
Den Logenbrüdern und Dieter Bückling mussten diese Bilder hingegen wie ein schrecklicher Alptraum vorkommen, denn sie hatten in den letzten Jahrzehnten mit allen Mitteln versucht, den Bewohnern von Europa-Mitte Derartiges auszutreiben. Doch jetzt, wo ihre Soldaten geflohen waren, konnte man sehen, dass die Geister vieler Deutscher doch nicht in dem Maße gebrochen worden waren, wie sie es geplant hatten.
Diesmal musste sich HOK eingestehen, dass er mit seiner Aufgabe einfach überfordert war. Seit Wochen arbeiteten die russischen Informatiker und er nun schon daran, den Zugangscode für das Satellitennetzwerk über Europa zu knacken, doch sie waren bisher alle gescheitert. Hunderte Mal war der dickliche Computerfachmann nun schon gegen den massiven Schutzwall aus Sicherheitsprogrammen und Anti-Hacker-Firewalls angerannt und hatte sich jedes Mal vergeblich die Zähne ausgebissen. Langsam setzte eine furchtbare Frustration ein. HOKs Augen taten heute so entsetzlich weh, dass sie sich anfühlten, als würden sie gleich in ihren Höhlen verglühen.
Stündlich generierten die überall in der ungemütlichen Halle aufgestellten Großrechner neue Zugangscodes, die von den Informatikern eingegeben wurden, doch es schien Millionen Möglichkeiten zu geben und die Sicherheitssoftware des Feindes hatte sich bisher als unüberwindbar erwiesen.
„Verdammte Scheiße!“, murrte HOK, sich den Kopf haltend, während ihm die Schweißperlen über die Stirn kullerten.
Schließlich holte der Informatiker ein Mineralwasser aus dem Rucksack, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und machte erst einmal Pause.
Die Russen neben ihm hämmerten derweil weiter ununterbrochen auf ihren Tastaturen herum und das leise Klackern Hunderter Finger hallte durch die unterirdische Halle.
„What`s up, Mr. Kober?“, fragte ihn einer der Offiziere der Volksarmee und war offensichtlich nicht erfreut darüber, dass sich HOK ausruhen wollte.
„I want a little break please. My eyes hurt”, antwortete der Deutsche und blickte den Soldaten mit blutunterlaufenden Augen an.
„Just 15 minutes, okay?“, gab dieser zurück.
„Okay!“, schnaufte HOK. Er kühlte seine Schläfe mit der Mineralwasserflasche.
„Das ist doch alles Wahnsinn“, flüsterte der Informatiker in sich hinein und wirkte vollkommen erschöpft.
„What?“, fragte der Offzier.
„Nothing! It`s okay…“, murmelte HOK zurück.
Dann verließ ihn der Russe wieder und begutachtete die Arbeit der anderen Computerfachleute, die ebenfalls recht verzweifelt aussahen.
Nach einer Viertelstunde ging es weiter. HOK kopierte einen neuen, möglichen Zugangscode in ein kleines Feld am unteren Bildschirmrand und erhielt die Antwort, die er erwartet hatte: „Access denied!“
Er stieß einen leisen Fluch aus, fuhr jedoch unbeirrt mit seiner Arbeit fort. Schon hatte ihm einer der Großrechner einen Haufen neue Zugangsdaten geschickt.
Langsam dröhnte HOKs Schädel, eine Migräne bahnte sich an. Das stundenlange Hocken vor dem Rechner hatte nicht nur seine Augen, sondern auch Rücken und Nacken in Mitleidenschaft gezogen.
„Nicht das noch“, brummte der korpulente Deutsche und warf eine Schmerztablette ein.
Nach einer weiteren halben Stunde stand er schließlich auf und drückte sich den Rücken durch. Nicht weniger als 14 Stunden hatte er jetzt schon vor dem Bildschirm gesessen. HOK hatte fast pausenlos Zugangscodes eingetippt, Daten umgeschrieben und alle möglichen Tricks angewandt, doch es war umsonst gewesen. Die für die Satteliten zuständigen Barrieren waren nicht zu überwinden.
„Mir reicht es!“, zischte Holger. Er machte Anstalten die Halle zu verlassen und an die Oberfläche zu gehen, um wenigstens ein wenig frische Luft zu schnappen.
„Where do you want to go?“, hörte der den Offizier hinter sich
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