Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
zusammen, rang nach Luft. Für einige Sekunden hielt sie den Mund.
„Das kann man nicht vergleichen“, erwiderte sie dann.
„Was?“, schrie Julia. „Papa ist der Außenminister des Nationenbundes und lebt ebenfalls in ständiger Gefahr. Seit Jahren haben wir beide doch schon nichts mehr von ihm. Politik hier und Politik da! Es gibt doch für ihn seit einer Ewigkeit nichts anderes mehr.“
„Und was soll aus Friedrich werden, wenn Frank eines Tages fällt?“, wollte Agatha wissen.
„Dann muss er ohne Vater aufwachsen. Glaubst du, ich weiß das nicht“, schimpfte Julia.
„Ich mag Frank ja, aber es war trotzdem ein Fehler…“
„Was war ein Fehler?“
„Sich mit ihm einzulassen!“
„Halt den Mund!“
„Doch, ich sehe das nun einmal so, Julia!“
„Und dich mit Vater einzulassen, war auch ein Fehler.“
„Das ist nicht das Gleiche!“, schnaubte Agatha.
„Doch! Frank und er sind vollkommen gleich! Erzähl mir doch keinen Unsinn, Mama! Wenn ich dumm war, dann warst du es auch!“
Mutter Wilden verzog ihren Mund und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Es reicht jetzt, Kind!“
„Dann mische dich nicht in meine Ehe ein, Mama! Mehr verlange ich nicht!“, brummte Julia und wischte sich eine Träne von der Wange.
„Mach doch, was du willst…“
„Du solltest froh sein, dass Frank für uns kämpft! Wenn wir verlieren, dann gibt es für uns alle nur noch Sklaverei und Untergang, Mama!“
Agatha Wilden grinste gequält. „Oh, haben dir Vater und Frank aus „Der Weg der Rus“ vorgelesen?“
„Lass mich in Ruhe!“, zischte Julia; sie nahm Friedrichs kleinen Arm.
„Willst du jetzt gehen, Mama?“, wollte dieser wissen. Mehr wagte er nicht mehr zu sagen.
„Ja, wir gehen jetzt in Papas Haus und da schlafen wir heute Nacht auch“, erklärte Julia.
„Wie du meinst“, erwiderte Mutter Wilden eingeschnappt.
„Warum bist du denn böse auf uns, Oma?“, fragte Friedrich.
„Nein, es ist schon gut! Tut mir leid, ich wollte euch nicht ausschimpfen“, gab Agatha kleinlaut zurück.
„Wie auch immer. Wir beide schlafen heute Nacht in Franks altem Haus und ich bitte auch darum, dass sich derartige Diskussionen nicht mehr wiederholen“, rief Julia angesäuert in Richtung ihrer Mutter. Dann verließ sie mit ihrem Sohn das Haus, ohne sich noch zu verabschieden.
Berliner Luft
Die Weltregierung stellte Artur Tschistokjow in diesen Tagen noch ein letztes Ultimatum bis zum 20.01.2051. Er sollte sämtliche Truppen aus dem Sektor Europa-Mitte zurückzuziehen. Doch das war nur ein Versuch, etwas mehr Zeit zu gewinnen, um die eigenen Armeen besser in Position bringen zu können. Inzwischen transportieren nämlich ganze Kriegsflotten immer neue Truppenverbände aus Nordamerika nach Europa. Und auch in Asien, Afrika und im Nahen Osten bildeten die internationalen Streitkräfte inzwischen eine langsam auf breiter Front vorrückende Linie. Der russische Souverän ignorierte das Ultimatum der Logenbrüder erwartungsgemäß und stellte seinerseits dem Weltverbund eine einwöchige Frist, in der dieser seine Streitkräfte aus Europa entfernen sollte. So provozierten sich beide Seiten noch ein wenig.
Was Artur Tschistokjow allerdings eine Atempause gewährte, war der glückliche Umstand, dass der Iran Anfang Oktober erneut von einem Aufstand islamischer Rebellen erschüttert wurde, was die Aufmerksamkeit der Weltregierung für kurze Zeit von Russland ablenkte. Die iranischen Freischärler, die seit Jahren mit der GCF im Krieg lagen, hatten sich unter dem Banner eines neuen Anführers namens Darian Aref einiger Regionen im Norden des Landes bemächtigt und die Städte Mashhad und Sarakhs erobert. Nun musste der Weltverbund einige GCF-Verbände zur Bekämpfung der Aufständischen freimachen und hoffte, dass sich die Situation im Iran nicht zu einem Flächenbrand in der islamischen Welt ausweitete.
Die Volksarmee hatte inzwischen Dresden ohne Widerstand eingenommen, denn die wenigen Hundert GCF-Besatzer hatten die Stadt stillschweigend geräumt und sich nach Berlin zurückgezogen. Hier in Dresden erwartete die Befreier ein herzlicher Empfang durch die Bevölkerung. Zehntausende von Menschen jubelten den durch die Straßen marschierenden Rus zu und ganz Dresden glich einem einzigen, großen Volksfest. Auch wenn die Stadt schmutzig und heruntergekommen war, so war sie immer noch irgendwie schön, meinte Frank.
Alfred und ihm schossen die Freudentränen in die Augen, als sie die dankbare
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