Beverly Barton, Hexenopfer
rein, und schließen Sie die Tür ab, bevor ich fahre.«
Sie folgte seiner Bitte, eilte dann durch das Haus zu den Fenstern im Wohnzimmer und schaute von dort auf die Zufahrt. Genny sah zu, wie Dallas den Wagen rückwärts auf die Straße setzte, und bewegte sich erst, als sein Mietwagen in der Dunkelheit verschwand.
Jazzy stieg in den Whirlpool in ihrem Badezimmer. Als sie ihren nackten Körper ins warme Wasser gleiten ließ, seufzte sie laut. Heute war ein langer Tag gewesen, so wie gestern. Zwei Morde in vierundzwanzig Stunden. Die ganze Stadt war angespannt und nervös, man wusste nicht, was vor sich ging und fragte sich, ob oder wann ein weiteres Opfer zu erwarten wäre. Der Wintersturm am Abend zuvor hatte viele Landbewohner von der Stromversorgung oder Telefonverbindung abgeschnitten – genau das, was die Leute nicht brauchten, wenn ein Mörder frei herumlief. An den beiden letzten Abenden war das Geschäft im Jasmine’s und in Jazzy’s Joint schlecht gelaufen. Auch wenn im Winter nicht viele Touristen in der Gegend waren, konnte Jazzy für gewöhnlich auf die Stammkundschaft aus dem Ort zählen, die beide Einrichtungen finanziell über Wasser hielt.
Vermutlich waren ihre Gedanken, ihre Sorgen und ihr Augenmerk zu sehr auf Geld ausgerichtet. Aber sie war ohne Geld groß geworden. Arm wie Kirchenmäuse, so hatte Tante Sally sie immer beschrieben. Arm zu sein, schien Sally Talbot nie zu stören, Jazzy aber war anders. Schon seit früher Kindheit hatte sie sich nach Dingen gesehnt, die mit Geld zu bekommen waren. Als Teenager hatte sie sich ein schönes Haus gewünscht, ein schickes Auto, hübsche Kleider. Doch mehr noch als alle materiellen Dinge, die man für Geld haben konnte, hatte sie sich nach dem Respekt gesehnt, den es allem Anschein nach mit sich brachte. Herrgott, wie hatte sie die MacKinnons und die Uptons beneidet. Wahrscheinlich hatte sie sich vor allem deshalb zu Jamie hingezogen gefühlt. Nicht so sehr, weil er gut aussah und charmant war, sondern weil er reich war. Sie hatte sich vorgestellt, dass all ihre Träume wahr würden, wenn sie Jamie heiratete und eine Upton würde.
Sie hatte Jamie ihre Jungfräulichkeit geopfert, als sie sechzehn war. Er hatte ihr seine unsterbliche Liebe erklärt, daher war sie sicher, dass er sie heiraten würde, wenn sie ihm sagte, sie sei von ihm schwanger.
Jazzy nahm den Luffaschwamm und fuhr sich damit über Arme und Beine. Mit neunundzwanzig hatte sie noch immer einen makellosen Körper, der nicht von Schwangerschaften verunstaltet war.
Eine tiefe Traurigkeit legte sich über ihr Herz, doch Jazzy vertrieb sie bewusst, denn sie wollte diesen schmerzhaften Teil ihres Daseins nicht noch einmal durchleben.
Du solltest es lieber im Gedächtnis behalten, sagte sie sich. Nur wenn du aus deinen Fehlern lernst, wirst du dich schützen können. Sie hatte Jamie hin und wieder verziehen, hatte sich etwas vorgemacht und geglaubt, er könne sich ändern und zu dem Mann werden, den sie brauchte. Aber letzten Endes zahlte sie, und nur sie allein, jedes Mal den Preis für ihre Dummheit.
Jamie war in den vergangenen Jahren so oft in ihr Leben getreten und wieder gegangen, dass sie den Überblick verloren hatte. Seine derzeitige Verlobte war die dritte und würde ohne Zweifel den Weg seiner früheren Eroberungen gehen. Sobald sie entdeckten, was Jamie für einer war, flohen sie zu Mommy und Daddy und in den Schutz ihrer wohlhabenden Familien. Und immer wenn Jamie zurück nach Cherokee County kam, mit oder ohne Frau im Schlepptau, suchte er Jazzy auf. Sie ging davon aus, dass er auf seine Weise ebenso von ihr abhängig war, wie sie von ihm. Sie lagen sich gegenseitig im Blut wie heimtückisches Gift.
Aber diesmal würde sie ihm nicht nachgeben. Wenn sie überleben wollte, gab es nur eine Möglichkeit: Sie musste einen Weg finden, sich von dem langsam wirkenden Gift zu befreien, das sie am Ende umbringen würde. Sie glaubte nicht, dass sie es überstehen würde, Jamie wieder zu lieben, denn sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er ihr das Herz brach.
Jazzy blieb in der Wanne, bis das Wasser kaum noch lauwarm war. Dann erhob sie sich, stieg aus und trocknete sich ab. Gerade als sie ihren gesteppten Seidenmorgenrock überzog, klingelte es an der Tür. Wer zum Teufel war das? Aber sie wusste es. Bevor sie durch ihr Schlafzimmer ins Wohnzimmer ihrer Wohnung über dem Restaurant ging, wusste sie, wer draußen vor der Tür auf sie wartete.
Sie blieb an der Tür
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