Beverly Barton, Hexenopfer
genau beobachtete, das die Opfertat ausführte. Sobald er die nötige Kraft aus dieser Zeremonie und von diesen Teufelsanbetern gesammelt hatte, würde er zu seinem kleinen Opfer zurückkehren, das in seinem Keller schlief und auf ihn wartete. Bei Tagesanbruch könnte er sich an ihrem Blut satt trinken. In nur wenigen Stunden wäre er seinem letzten Ziel um einen Schritt näher gekommen.
Jazzy stand mit Caleb McCord auf der Treppe im ersten Stock vor ihrer Wohnung und schenkte dem Fremden, der sie vor Jamie gerettet hatte, ein verführerisches Lächeln. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ein Fremder sie jemals derart unmittelbar angezogen hatte. Nur gesunder Menschenverstand hielt sie davon ab, sich zur Närrin zu machen und ihn auf einen Absacker zu sich einzuladen. Sie war sich ziemlich sicher, dass Caleb dann am Ende die ganze Nacht bleiben würde. Herr im Himmel, sie war noch nicht bereit für eine Affäre, besonders nicht mit jemandem, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Aber dem Mann eine Stelle in Jazzy’s Joint anzubieten, stand auf einem ganz anderen Blatt.
»Wenn Sie vorhaben, eine Weile in der Stadt zu bleiben, kann ich Ihnen Arbeit geben«, sagte sie.
»Welche?« Er beugte sich zu ihr vor, und seine große, schlanke Gestalt versperrte ihr die Sicht.
»Ich werde meinen Türsteher rauswerfen, sollte er je wieder aufkreuzen. Ich hatte vor, eine Anzeige in die Zeitung zu setzen, aber wenn Sie Interesse haben …«
»Ich denke darüber nach.«
»Ich brauche bis morgen eine Antwort.«
»Wie wär’s mit zwölf Uhr mittags? Ich komme zum Essen ins Jasmine’s.«
Er war zu nah, seine Männlichkeit beinahe bedrohlich. Als er den Kopf senkte, hielt sie die Luft an und rechnete mit einem harten, besitzergreifenden Kuss. Stattdessen drückte er seine Lippen auf ihre Stirn. Zärtlich. Dann fuhr er sanft mit dem Handrücken über ihre Wange, bevor er sich umdrehte, die Treppe hinunterging und sie im Zustand sexueller Erregung zurückließ.
Völlig verblüfft von Caleb McCord entriegelte sie das Sicherheitsschloss und öffnete ihre Wohnungstür. Plötzlich hörte sie, dass ihr Telefon klingelte. Hoffentlich nicht Jamie! Verdammt. Sie musste eine Rufnummererkennung an ihrem privaten Telefon installieren lassen. Nachdem sie die Tür zugemacht und abgeschlossen hatte, eilte sie ans Telefon und nahm den Hörer ab. Das Freizeichen trällerte laut in ihr Ohr.
Genny lag auf dem Küchenboden, den Telefonhörer in der Hand. Es hatte sie jedes bisschen Kraft gekostet, sowie Drudwyns Unterstützung, um vom Hof ins Haus zu gelangen. Die letzte Vision hatte sie stark in Mitleidenschaft gezogen, emotional und körperlich.
Zuerst hatte sie in Jacobs Wohnung angerufen und eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen, dann hatte sie das Büro des Sheriffs angewählt und von Tewanda erfahren, dass Jacob im Einsatz sei.
»Sagen Sie ihm … sagen Sie ihm, Misty ist das nächste Opfer. Ich habe sie gesehen.«
»Der Herr steh uns bei«, hatte Tewanda gesagt. »Ich wusste es. Mistys Wagen wurde gefunden und … ich werde Jacob sofort anfunken und ihm sagen, dass Sie Misty gesehen haben.«
»Sagen Sie ihm, er soll kommen …« Der Hörer wurde ihr zu schwer und glitt aus ihrer Hand.
»Genny … Genny, Genny!«
Leicht benebelt und schwach wie ein neugeborenes Kätzchen kam sie ein paar Minuten später wieder zu Bewusstsein. Es gelang ihr, Jazzy anzurufen. Sie brauchte Hilfe. Jetzt. Aber niemand ging ans Telefon.
Oh Gott, was soll ich tun?
Nachdem sie ihre ganze Kraft für den Anruf verbraucht hatte, brach Genny auf dem Boden zusammen. Sie hielt sich am Hörer fest und starrte auf die Tonwahltasten. Sie zuckte mit den Fingern und gab sich die größte Mühe, nur eine Nummer zu drücken. In dem Augenblick, als sie die erste Taste drückte, spürte sie die schwarzen Schatten, die durch ihren Kopf wirbelten.
Eine verhüllte Gestalt trug Misty in einen dunklen, höhlenartigen Raum und legte sie auf den Boden. Genny spürte Mistys Angst. Sie fühlte auch die Erregung des Mörders. Ein schwaches Licht ging an, ein Blitz, um die Dunkelheit zu verbannen und das Innere einer alten Scheune zu erhellen.
Die Vision war so schnell vorbei, wie sie begonnen hatte, und ließ Genny wie gelähmt auf ihrem Küchenboden zurück. Sie konnte sich kaum bewegen und hatte nicht die Möglichkeit, erneut zu wählen. Vorerst nicht.
Sie schloss die Augen und blieb still liegen, um die wenige Kraft, die sie noch hatte, zu sammeln
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