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Bevor Alles Verschwindet

Bevor Alles Verschwindet

Titel: Bevor Alles Verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Scheffel
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dermaßen eins zu eins geschieht, dass alles so ist, wie man es sich vorstellt. So viel Sinn für Dramatik hätte er denen nicht zugetraut. Robert verflucht sich dafür, die vorangegangenen Sprengungen verpasst zu haben, weil er mit dem Proben beschäftigt war.
    »Na, Marie«, sagt Greta, sie hat, wie immer zuletzt, das rote Motorrad dabei.
    »Greta«, sagt Marie düster. »Siehst du, jetzt machen sie das Haus weg.«
    »Ja«, sagt Greta. »Dieses Haus mochte ich immer sehr gern. Wusstest du, dass es früher ein Modegeschäft war, eine richtige kleine Boutique?«
    »Boutique«, sagt Marie. »Das hört sich schön an.«
    »Kennst du meinen Mantel, den mit dem hohen Kragen?« Marie nickt. »Der kommt aus dieser Boutique, den habe ich mir in dem Winter gekauft, als die Wasserleitungen eingefroren sind.«
    »Ah«, sagt Marie und hebt den Schädel hoch, damit der besser sehen kann.
    »Marie«, sagt Clara, »da bist du ja.«
    »Ich bin bei Greta«, sagt Marie.
    »Das ist gut«, sagt Clara. »Willst du dir das ansehen?«
    »Der Schädel will gucken.«
    »Der Schädel hat keine Augen, Marie.«
    »Aber er erinnert sich.«
    »Der Schädel kommt aus China, Taiwan, was weiß ich. Der ist aus Plastik, Marie.«
    »Trotzdem.«
    »Hast du mit Wacho gesprochen, mit David, mit Milo?«, fragt Greta Clara leise. Clara schüttelt den Kopf:
    »Ich bin noch nicht dazu gekommen.«
    »Man kommt zu nicht viel, in diesen Tagen.«
    »Mir ist irgendwie der Rhythmus durcheinandergeraten.«
    »Sieh uns an«, sagt Greta. »Hier tickt keiner mehr richtig. Da ist dein Mann.« Und Clara sieht zu Robert hinüber, der steht stumm und staunend hinter dem Absperrband, neben sich sein Team: der Reporter mit dem nervösen Tick, dazu ein Kameramann und ein Typ mit Tonangel. Clara fürchtet, Robert könne in dieser Dokumentation eine andere Rolle zufallen, als er sich das wünscht. Sie bekommt mit einem Mal Sehnsucht nach Robert, danach, mit ihm allein zu sein, ohne das Team, nicht im Rahmen des Weltuntergangs, sondern einfach nur so.
    Da drüben stehen die Zwillinge nebeneinander, aber es sieht aus, als wäre das aus Versehen passiert. Eleni kommt dazu, stellt sich zwischen sie, legt den beiden die Arme um die Schultern. Clara möchte das auch machen mit ihrer Familie, aber der Schädel ist im Weg und das Team und Claras Vorstellungen davon, was man wann macht. Natürlich sind auch Schaulustige da, Leute aus den Nachbarorten, aus der Stadt, Verwandte und Bekannte von Verantwortlichen, Menschen, die den Termin in der Zeitung gefunden haben. Heute fällt ein schwieriges Haus, heute muss gesprengt werden, weil die Grundmauern zu fest stehen, weil sich dieses Haus wie der Löwe im verschwundenen Wald in den Boden krallt.
    »Hast du die Alben?«, fragt Jules seine Mutter.
    »Welche Alben?«, fragt Eleni zerstreut. Jules will loslaufen und sie aus dem Haus retten, aber Jula hält ihn zurück.
    »Ich habe sie«, sagt sie ruhig und zeigt auf die Leinentasche unter ihrem Arm. »Alles in Ordnung.«
    »Gib sie mir«, sagt Jules, »gib sie her.«
    »Streitet euch nicht«, sagt Eleni. »Nicht heute.«
    »Habt ihr David gesehen?«, fragt Wacho in die Runde. Einige der Angereisten sehen ihn fragend an. »Mein Sohn«, sagt Wacho, »so groß.« Er tippt sich knapp über die Nasenspitze. »Etwas müde und wahrscheinlich in Jeans.«
    »Das könnte jeder sein«, sagt einer in Jeans, und seine Freunde nicken müde. Wacho wendet sich an Greta:
    »Wo ist David? Er sollte Bescheid sagen, dass alle zu uns kommen können. Nur das. Und jetzt ist er weg.«
    »Er ist nicht weg«, sagt Greta. »Er wird hier irgendwo sein, ganz bestimmt, beruhige dich.«
    »Er ist weg«, sagt Wacho hektisch, das Team wird aufmerksam, das könnte der Beginn einer Geschichte sein, ein Bürgermeister, der durchdreht. Der Kameramann hebt die Kamera.
    »Nicht«, sagt Robert. »Das ist ernst.«
    »Alles hier ist ernst«, sagt der Reporter. »Was denkst du denn, warum wir hier sind?«
    »Das Stück«, sagt Robert.
    »Das Stück«, wiederholt der Reporter. »Also bitte!«
    »Bitte zurücktreten«, sagt einer der Gelbhelme. Wacho hat sich zu weit vorgewagt, das Absperrband spannt sich um seinen Bauch.
    »Ich suche meinen Sohn«, sagt Wacho.
    »Hier ist er bestimmt nicht, treten Sie bitte zurück, hier geht es jetzt los.« Wacho gehorcht, gibt das Feld frei für die Sprengung. »Nehmen Sie bitte das Kind zu sich«, sagt der Mann von der Bauaufsicht und schiebt Marie zu Clara.
    »Bleib bei mir«, sagt Clara und

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