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Bevor Alles Verschwindet

Bevor Alles Verschwindet

Titel: Bevor Alles Verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Scheffel
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passt.
    »Mach weiter«, ruft Marie, sie steht jetzt dicht vor der Büh
ne. Aber Robert kann das nicht, einfach weitermachen. Er hängt in einer Endlosschleife fest, ihm fällt nur ein Satz ein, und der steht nicht im Text.
    »Das wird nichts mehr«, flüstert der Regisseur dem Kameramann zu.
    »Letzter Vorhang gerissen«, flüstert der zurück.
    »Merk dir den, aber wir finden da bestimmt einen noch knackigeren Titel«, sagt der Regisseur.
    Auf der Bühne steht Robert und sieht erst sein Publikum an, dann nur noch Marie. Es werden Fotos gemacht, für die Presse.
    »Ich gebe auf«, sagt Robert, springt von der Bühne, umarmt Marie kurz und fest und verschwindet dann durchs Publikum, in der vorletzten Reihe klatscht eine Reisegruppe, in der ersten der Verantwortliche.
    »Hört, hört!«, ruft er. »Hört, hört!«
     
    Die Stimmung bei den Bewohnern ist getrübt, Robert wurde seit seinem Abgang nicht mehr gesehen, es ist nicht einfach, sich hier in Luft aufzulösen, und Clara und Marie verstehen: Robert hat den Ort verlassen. Clara hat versucht, ihn zu erreichen, vom Dach des Rathauses aus, aber selbst dort gab es heute keinen Empfang.
    »Wir beide wissen, wo wir ihn finden, Marie. Er wird oben auf uns warten«, sagt Clara und drückt ihre Tochter. Marie nickt, biegt den Kopf von Claras Bauch weg und schaut zur Landstraße hinüber. Sie wäre ihm ohnehin nicht hinterhergelaufen, selbst wenn Clara sie nicht festgehalten hätte. Marie darf ihrem Vater nicht folgen. Sie hat versprochen da zu sein, und zwar bis zum Schluss und egal, was getan wird, um sie in Sicherheit zu bringen. Marie hat es dem Jungen versprochen und dem Schädel, der seit Wochen unter der Erde liegt.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagt Greta und tritt neben Marie, die vor einem Zigarettenstummel kniet.
    »Noch warm«, sagt Marie leise.
    »Fass das nicht an«, sagt Clara und zieht Marie hoch, sie ist nicht gut im Trösten, sie weiß nicht, was sie sagen soll, Clara versteht selbst nicht, was da eben passiert ist.
    »Entweder dein Papa kommt heute zurück«, sagt Greta, »oder er ist schon oben und bereitet dort alles für euch vor. Auf jeden Fall würde er nicht einfach verschwinden. Wahrscheinlich hat er dein Zimmer schon tapeziert, wenn du ankommst.«
    »Wer weiß«, sagt Wacho. »Wer weiß schon, wozu manche Leute fähig sind. Manche verschwinden einfach so, kein Schuldgefühl, nichts.«
    »Aber nicht Robert«, sagt Eleni und wirft Wacho einen mahnenden Blick zu: Nicht vor dem Kind, solche Sätze sagt man nicht vor einem Kind wie Marie und auch sonst vor keinem Menschen, an dem einem etwas liegt.
    »Er hat sich so gefreut«, flüstert Marie. »Er hat doch so lange geprobt und extra die Musik aufgenommen.« Greta nickt Clara zu, die nicht weiß, was sie tun soll, und dann setzt sie sich mit Marie auf den wackligen Eingang zum Hüpfschloss.
    »Manchmal, Marie«, sagt Greta, »manchmal freuen wir uns auf etwas, und wenn es dann endlich da ist, stimmt es nicht mehr.«
    »Wie kann denn etwas nicht mehr stimmen?«, fragt Marie, und Greta sieht, dass sie das wirklich nicht versteht.
    »Manchmal passt sich eine Idee nicht dem Moment an. Dann ist die Idee zuerst da, und wenn der Moment kommt, merkt man plötzlich, dass sie nicht mehr zusammenpassen, Moment und Idee.«
    »Oder Mensch und Mensch«, sagt Eleni. »Das kann auch mit Menschen passieren.« Greta steht auf, ihre Beine sind wacklig vom Luftkissensitzen.
    »Warte kurz«, sagt sie zu Marie, und die nickt. Greta nimmt Eleni beiseite, zieht Wacho am Ärmel: »Ich fände es gut, wenn
ihr eure Probleme nicht zu denen des Kindes machen würdet.« Sie schiebt die beiden in Richtung Bierzelt und setzt sich wieder zu Marie: »Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Bei der Angst«, sagt Marie. »Du hast gesagt, dass vielleicht irgendwann gar nichts mehr zu gar nichts passt.«
    »Ach, Kindchen«, sagt Greta leise, sagt sie traurig und enttäuscht. Sie hatte gehofft, dass es ihnen nie gelingen würde, Marie zu erden, dass das Kind in seiner egozentrischen Welt bleiben dürfe, in der nichts geschieht, was Marie nicht gefällt.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagt Greta und drückt Marie an sich. Die muss grinsen, trotz der Tränen, die sich im Hals stauen wie das Wasser an der großen Mauer, sie wird heute oft gedrückt, vielleicht ist sie so etwas wie ein Sorgenableiter geworden, so etwas wie Milo.
    »Du auch nicht«, sagt Marie.
    »Was?«, fragt Greta.
    »Mach du dir auch keine Sorgen.«
    »Nie«, sagt Greta, dann steht

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