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Bevor Alles Verschwindet

Bevor Alles Verschwindet

Titel: Bevor Alles Verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Scheffel
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hat.
    »Okay«, sagt er. »Dann geh ich mal.« Er dreht sich um und geht in Richtung Parkplatz, da steht sein alter Wagen, sie ist
noch nie mitgefahren, sie wollte erst einsteigen, wenn das hier alles vorbei wäre. Jula blickt Eleni entgegen, die jetzt vor ihr steht mit einem Bier in der Rechten und einem Rotwein in der Linken.
    »Wein oder Bier?«, fragt Eleni.
    »Beides«, sagt Jula und Eleni gibt ihr den Wein.
    »Wer war denn das?«, fragt sie.
    »So ein Typ«, sagt Jula. Was soll sie auch sagen, ihre Mutter weiß es ja eh.
    »Er sah nett aus«, sagt Eleni und sieht ihm nach, wie er da wahrscheinlich gerade in sein Auto steigt und Probleme beim Ausparken hat. Jula beobachtet, wie ihre Mutter guckt, sie guckt normal, sie scheint nicht wütend zu sein, nicht entsetzt oder enttäuscht. Sie guckt wie eine Mutter, die den ersten richtigen Freund ihrer Tochter inspiziert.
    »Bring ihn mal mit«, sagt Eleni. »Wenn wir oben sind, wird es einfacher.« Jula macht eine vage Bewegung mit dem Kopf, mit den Schultern.
    »Mal sehen.«
    »Ich würde mich freuen«, sagt Eleni, und langsam wird es überdeutlich, was sie Jula mitteilen möchte. Eleni will eine gute Mutter sein, oder vielleicht, denkt Jula, ist es für sie tatsächlich in Ordnung, ihre Tochter mit diesem Mann von der Gegenseite. Vielleicht hat Eleni sogar die Seiten gewechselt, oder sie sitzt bequem in der Mitte, ruft in beide Richtungen: »Mir doch egal.« Jula wird nicht schlau aus ihrer Gelassenheit. Erst als sie Jules auf der weißen Treppe entdeckt, wird ihr klar, dass es gar nicht um Eleni geht. Ihre Angst dreht sich um Jules, er ist es, der sie vernichten kann mit nur einem abschätzigen Blick.
    »Du solltest mit ihm reden«, sagt Eleni und streicht Jula über den Arm, die tritt einen Schritt zurück, sie will nicht berührt werden, sie hat ihm das verwehrt, jetzt kann sie Eleni nicht lassen. »Wahrscheinlich ist er ein bisschen eifersüchtig,
aber früher oder später wird er es verstehen«, sagt Eleni und ist immer noch schrecklich unbekümmert angesichts dieses allumfassenden Weltuntergangs. Es könnte das Bier sein oder die Musik, Jula erkennt ihre Mutter nicht wieder. »Geh zu ihm«, sagt Eleni. »Oder ich hole ihn her.«
    »Nein!«, ruft Jula und: »Halt dich da raus.«
    »Ich habe mich genug rausgehalten«, sagt Eleni und tanzt quer über den Platz auf Jules zu, der ist kurz davor, aufzuspringen und wegzulaufen, das sieht Jula genau, aber Eleni nicht, die bekommt anscheinend gar nichts mehr mit.
    »Jules, mein Schatz«, flötet Eleni, eine dieser Säuselmütter war sie nie, und jetzt das und dieses seltsame Bestehen auf Austausch und Nähe und dieses leuchtend gelbe Kleid. Jula versteht nichts mehr und sie hat keine Ahnung, was sie tun soll, darum bleibt sie stehen. Eleni packt Jules am Arm und zieht ihn von der Treppe weg. Jula bildet sich ein, Milo hätte sich kurz gerührt, in dem Moment, in dem Jules den Kontakt zur Treppe verlor, aber da kann sie sich täuschen, bestimmt täuscht sie sich. Jules und Eleni kommen auf sie zu.
    »Sprecht euch aus«, sagt Eleni und stellt Jules vor Jula ab. Sie betrachtet die Zwillinge, sie hat sie lange nicht mehr nebeneinander gesehen, sie nutzt die Gelegenheit für einen Vergleich. Immer noch sind beide sehr schön, auf eine übertriebene, auf eine merkwürdige Art. Aber Jules wirkt jünger als seine Schwester, das liegt nicht nur an dem einen Zentimeter Größenunterschied und der Minute, die Jula früher da war als er. Das liegt wohl vor allem daran, dass Jula ein ganzes Stück weiter ist mit dem Leben und Jules immer noch hier festhängt und in der Geschichte, die sich in einem abgerissenen Haus abspielt und einem Radius von allerhöchstens tausendzweihundert Metern.
    »Dann lasse ich euch mal allein«, sagt Eleni und dann geht sie. Und da stehen sie nun, die Salamander-Zwillinge, und beiden wäre es lieber, sie wären woanders.
    »Du hast mich angelogen. Er ist dein Freund«, sagt Jules. Jula nickt. »Werdet ihr weggehen?«, fragt er, und sie nickt erneut. »In Ordnung«, sagt Jules und drückt etwas in seiner Tasche, er drückt ihren Plan. Jula kennt ihren Bruder noch, er verändert sich nicht, aber er wird ihr von Tag zu Tag unähnlicher.
    »Es tut mir leid«, sagt Jula und sie lügt. Es tut ihr weniger leid als jemals zuvor.
    »Kann sein«, sagt Jules. »Aber was sollen wir machen, so ist es nun mal.« Jula nickt, sie will ihre Hand nach ihm ausstrecken, lässt es dann aber.
    Irgendwie war er ihr immer zu

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