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Bevor Alles Verschwindet

Bevor Alles Verschwindet

Titel: Bevor Alles Verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Scheffel
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Jules geht unter seinen Armen in Deckung.
    »Wie kommst du darauf, dass mich interessiert, was so ein gefiederter Gelbhelmarsch macht?«
    »Ich bin doch nicht blöd.« Jula schlägt erneut zu.
    »Nee, du bist völlig verrückt. Wenn du noch mal so was sagst, spreche ich nie wieder mit dir.« Sie hört auf, nach ihm zu schlagen, und lässt sich zu Jules auf den Boden fallen, beide sind erschöpft.
    »Was macht ihr denn da drinnen?«, fragt Eleni durch die Tür. Sie antworten chorisch, endlich wieder:
    »Nichts. Alles okay.«
    »Dann ist ja gut«, sagt Eleni und: »Jules, hast du schon die Post?«
    »Natürlich nicht«, ruft Jules durch die Tür, und sie hören zu, wie Eleni weggeht.
    »Was hat die immer mit ihrer Post?«, fragt Jula.
    »Keine Ahnung. Warum willst du den Plan nicht durchziehen?«
    »Ich will ja, aber noch nicht jetzt. Es ist einfach zu früh, du Depp. Seit Monaten steht fest, wann wir den Plan durchführen, und es ist völlig logisch, dass es jetzt viel zu früh dafür ist.«
    »Aber Papa fährt heute.«
    »Na und?«
    Jules hat die ganze Nacht nicht geschlafen, er hat gedacht, sie würden es auf jeden Fall heute durchziehen. Er hat sich vorgestellt, wie sich sein Vater auf Höhe des Ortsschildes fassungslos zum Beifahrerfenster hinüberlehnt, wie er nicht glauben kann, was er da sieht und wen, bei der riesigen Mauer, und wie er dann sagen wird »Mein Gott, o mein Gott«. Und dann wird sein Vater wenden, zurückfahren nach Hause. Sie werden die Schäden beheben, die der Einmarsch der Verantwortlichen verursacht hat, und sie werden die Reisetasche auspacken, die Alben zurück ins Regal stellen, die Jules bewacht hat, damit sein Vater nicht auf ewig verschwindet. Sie werden sich zum Abendbrot setzen. Zu viert. So wird es sein.
    »Jules?«
    »Lass uns den Plan heute durchziehen.«
    »Das geht nicht, Mann!«
    »Bitte.«
    »Mit bitte hat das nichts zu tun. Es geht einfach nicht, der Plan funktioniert nicht, bevor alles fertig ist.« Jula betrachtet ihn, als wäre er bescheuert. Es ist der Blick, den sie normalerweise gemeinsam ihren Eltern zuwerfen. Jules kann sich nicht
damit abfinden, mit denen in einen Topf geworfen zu werden.
    »Aber dann ist es doch zu spät.«
    »Zu spät ist es eh.«
    »Nein.«
    »Doch. Der Plan soll ein Zeichen setzen, denen klarmachen, dass man das nicht einfach so machen kann, das alles. Aber verhindern kann man nichts mehr. Schreib dir das ins Hirn.« Jula drückt ihm das Kissen ins Gesicht, er schiebt es weg, ein wenig stärker als sie ist er doch.
    »Dann macht der Plan ja überhaupt keinen Sinn.« Jula steht auf, lässt sich aufs Bett fallen, zieht die Decke hoch, bis über den Kopf, murmelt:
    »Hau ab, ich will weiterschlafen.« Unschlüssig wartet Jules einen Moment, er weiß nicht, ob er schon aufgeben soll. Vielleicht tut sie nur so, vielleicht will sie nur testen, wie viel ihm an alldem hier liegt. Und an ihr. »Hörst du schlecht?« Sie meint es ernst, er steht auf. Seine Füße werden staubig, ihre Schuhe sind weiß vom getrockneten Lehm, sie trägt die Baustelle ins Haus. Ein Sakrileg, das sollte sie wissen.
    »Wie heißt er?«, fragt Jules.
    »Wer?«
    »Der Vogelmann.«
    »Verpiss dich. Mach, dass du rauskommst!« Jules hört, wie Jeremias die erste Treppe hinuntersteigt, die Treppe knarrt. Bevor die Verantwortlichen kamen, hat sein Vater noch den Ausbau des Treppenhauses geplant, die Stufen sollten verstärkt werden und hellblau. Jules und Jula sollten ihm helfen.
    »Vielleicht fahre ich mit Papa mit.«
    »Mach doch.«
    »Hab ich dir was getan?«
    »Du nervst.« Jules nickt. Er lässt sie allein, schließt leise die Tür.
    »Papa?«
    »Ich bin hier unten. Komm.« Jules geht die Treppe hinab, spart die siebte Stufe von oben aus, da hängt ein Brett durch.
    »Möchtest du Kaffee?«, fragt Jeremias.
    »Ja«, sagt Jules und: »Ich komme mit.«
     
    »Du wirst nicht mit ihm sprechen«, sagt Wacho und steht vom Küchentisch auf.
    »Nein«, sagt David.
    »Du siehst ihn nicht einmal an.« David schüttelt den Kopf, und Wacho stolpert auf ihn zu, er hat wieder dieses Leuchten in den Augen, er wird David küssen, einen feuchten Kuss auf die Stirn und die Ohren, dann die Augen. David lässt es über sich ergehen.
    »Es ist schön, dass alles wieder gut ist«, sagt Wacho. »Nicht wahr?« David nickt.
    »Du wirst nicht mit ihm sprechen?« Wacho kommt noch näher auf David zu, sein Bauch drückt gegen Davids Bauch, Wachos Atem ist viel zu warm. Er greift David bei den Schultern:

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