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Bevor Alles Verschwindet

Bevor Alles Verschwindet

Titel: Bevor Alles Verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Scheffel
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nichts.«
    »Mach ich nicht. Nimmst du die Alben nicht mit?« Jules schiebt die dicken Fotoalben unschlüssig auf dem Bett hin und her.
    »Mach nichts kaputt«, Jeremias zieht Jules die Alben weg.
    »Die gehen doch nicht kaputt, wenn ich sie bewege.« Jules ist verletzt. Jeremias legt die Alben auf den Nachttisch, auf Elenis Seite. Er setzt sich zu seinem Sohn. Einen Moment lang sitzen sie schweigend.
    »Wenn du magst, kannst du morgen mitkommen«, wagt Jeremias zu sagen.
    »Das geht doch nicht«, sagt Jules. »Tut mir leid. Aber ich kann hier nicht weg.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Jula hierbleibt.«
    »Ihr müsst nicht alles zusammen machen.«
    »Machen wir nicht.«
    »Warum dann? Warum machst du dann nicht einfach, was du machen möchtest?«
    »Ich weiß nicht, was ich will.«
    »Das kenne ich«, rutscht es Jeremias heraus. Jules nickt.
    »Das kennt jeder. Wahrscheinlich. Aber es nervt.«
    »Zwischendurch weiß man es manchmal. Phasenweise«, sagt Jeremias.
    »Meinst du, das neue Haus wird gut?«, fragt Jules.
    »Das wird mehr als gut. Du wirst dich wohlfühlen, versprochen. Wo ist eigentlich deine Schwester?« Jules steht auf.
    »Darf ich mir die Alben ausleihen?«
    »Klar. Wir können uns aber auch gern noch unterhalten.«
    »Gute Nacht«, sagt Jules.
    »Ja, schlaf gut«, sagt Jeremias. »Morgen früh, bevor ich fahre, sehen wir uns noch mal, oder?« Aber darauf kommt keine Antwort mehr, Jules ist schon weg. Jeremias geht ins Bett, als er Eleni die Treppe hinaufkommen hört.
    »Mit wem hast du geredet?«, fragt sie, während sie beginnt, sich auszuziehen.
    »Jules, er sah traurig aus.«
    »Das alles ist nicht so einfach«, sagt Eleni, und Jeremias stimmt ihr zu:
    »Nein, das ist es nicht.« Eleni legt sich neben ihn ins Bett, er schlingt einen Arm um ihre Hüfte, sie rückt ganz nah an ihn heran.
    »Ihr kommt aber wirklich nach, oder?«
    »Selbstverständlich«, sagt sie, rutscht auf ihre Seite und löscht das Licht, während es oben in der Dachkammer mit einem Mal sehr hell wird.
    Durchs Fenster beobachtet Jules den Gelbhelm mit den gefiederten Armen, illuminiert von gleißendem Scheinwerfer
licht. Der Kerl begegnet ihm oft in letzter Zeit, er treibt sich zu häufig im Ort herum, er kommt ihnen zu nahe, das sollte er nicht. Der Gelbhelm steht vor dem Tore, er hält eine Spitzhacke in der Hand. Der Vogelmann schlägt die Scheiben des Wirtshauses ein. Das wird noch betrieben, jeden Freitagabend von sieben an und bis der letzte geht und samstags den ganzen Tag über. Jules denkt an die Arschlöcher, die den Ort als Ausflugsziel entdeckt haben. Die sorgen wahrscheinlich dafür, dass der Wirt auf die letzten Tage noch richtig Kohle macht. Unten vor dem Vogelmann steht die Fotografin, sie dirigiert ihn, lässt ihn Grimassen schneiden und beim Zerschmettern der Scheiben in die Luft springen, er spannt die Muskeln an, er präsentiert sein albernes Gefieder. Der Vogelmann und die Fotografin gehen hinüber zum Modell, der Gefiederte spielt Gott, wie er denkt, dass man Gott spielen muss. Dann lässt die Fotografin die Kamera sinken, zeigt auf das Rathaus, der Vogelmann schüttelt den Kopf, aber sie redet auf ihn ein. Die beiden gehen hinüber zur Treppe. Dorthin, wo Milo stumm neben dem Löwen sitzt.
    Jula taucht neben Jules am Fenster auf, der presst den Finger gegen die Scheibe, er spürt, wie angespannt Jula ist. Draußen treten der Vogelmann und die Fotografin ganz nahe an Milo heran. Der Vogelmann stellt sich hinter ihn und den Löwen auf die Treppe, die Fotografin schaltet die Scheinwerfer ein, die weiße Treppe leuchtet im kalten Licht. Der Vogelmann sagt etwas, aber Milo rührt sich nicht, nicht einmal, als der Vogelmann die Hacke hebt. Jules kneift die Augen zu.
    »Er schlägt nur den Löwen, aber die haben sie echt nicht mehr alle«, presst Jula hervor. Jules hört ihr an, dass sie sich das Heulen verkneifen muss. »So eine Scheißinszenierung«, sagt Jula. »Komm da weg, lass uns lieber den Plan noch einmal überfliegen.«
     
    David schläft mehr als jemals zuvor. Immer wenn er nicht im Tore ist, wenn er nicht mit Wacho unten am Tisch sitzen muss, wenn der ihn nicht zwingt, gemeinsam auf die Rettung zu warten, zieht David sich die Matratze über den Kopf. David träumt sich ein Leben zusammen, er ist gut darin, er kann dort weiterträumen, wo er beim letzten Mal aufgehört hat. Beim Aufwachen hat er alles vergessen. David hat im Schlaf ein richtiges Leben, an das er sich wach nicht erinnern kann. Von unten

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