Bevor der Abend kommt
im Haar, ins Schlafzimmer zurückkam.
»Hast du was von ihr gehört?«, fragte Heather gehorsam und drehte sich dann kopfschüttelnd zu ihrer Mutter um. »Okay, also, wenn sie sich meldet«, fuhr Heather, weiter souffliert von ihr Mutter, fort, »soll sie zu Hause anrufen. Okay? Ja, alles in Ordnung. Ich will sie nur was fragen. Okay, ja. Ciao.« Sie legte auf.
»Julia ist nicht da?«
Heather zuckte gleichgültig die Achseln. »Es geht ihr gut, Mom.«
»Es wäre nur nett, wenn sie anrufen würde, das ist alles.«
»Warum bezeichnest du Fiona als Keks?«
Cindy zuckte mit den Schultern, zerrte an der Bürste in ihren Haaren und spürte, wie der Griff sich löste. »Na, wunderbar.«
»Lass mich das machen.« Sanft und behutsam zog Heather den Bürstenkopf aus den Haaren ihrer Mutter, schob ihn auf den Griff zurück und begann, Cindys weiche Locken behutsam zu bearbeiten. »Du wirst schon sehen. Ich mache dich wunderschön für dein Date heute Abend.«
»Es ist kein Date.«
»Ich weiß.«
»Wahrscheinlich sollte ich gar nicht gehen.«
»Sei nicht albern. Ich komme allein ganz prima zurecht.«
»Es ist Julia, um die ich mir Sorgen mache.«
Heather stellte ihre Pflege abrupt ein.
»Das war’s? Bist du schon fertig?«
Heather nickte und drückte ihrer Mutter die Bürste in die Hand. »Du brauchst mich nicht.«
5
»Und woher kennen Sie Trish?«
Cindy strich sich eine Haarsträhne hinter das rechte Ohr, weniger aus Notwenigkeit als vielmehr, um etwas zu tun zu haben. Sie richtete das Besteck auf der Tischdecke aus, obwohl es bereits vollkommen gerade lag, und rückte die burgunderrote Serviette in ihrem Schoß zurecht. Dann strich sie sich erneut eine Strähne hinters Ohr und starrte aus dem langen Fenster hinter Neil Macfarlanes Kopf, wo das letzte Blau am Himmel verschwand, sodass das umfassende Panorama in gedämpftem Grau versank. Bald es würde dunkel sein, dachte sie, traurig darüber, dass die Tage wieder kürzer wurden. Merk dir den Gedanken, dachte sie, bewahre ihn dir für einen Zeitpunkt auf, in dem das Gespräch versiegt und der Smalltalk so winzig wird, dass er ganz zu verschwinden droht. Hatte sie nicht deswegen eigentlich aufgehört, sich zu verabreden, und gelobt, sich nie wieder den unbehaglichen Unwägbarkeiten der Single-Szene auszusetzen? »Wir haben uns vor etwa zehn Jahren kennen gelernt, an einem Verkaufstresen in der Kosmetikabteilung von Holt’s. Wir sind regelrecht ineinander gerannt, als wir beide nach derselben Feuchtigkeitscreme gegriffen haben«, fuhr Cindy fort, ohne ihren unerwarteten Wortschwall bremsen zu können. »Wir hatten es beide eilig. Es war während des Filmfestivals, und wir hatten zwischen zwei Filmen nicht viel Zeit.«
Der Mann, der ihr auf der anderen Seite des Tisches gegenübersaß, nickte. »So weit ich weiß, ist Trish ein großer Film-Fan.«
»Ja, das sind wir beide.« Natürlich wäre es nun nahe liegend gewesen, dass sie zurückfragte: »Und Sie? Gehen Sie auch gern ins Kino?« Aber das tat sie nicht, weil eine solche Frage hätte andeuten können, dass sie es interessierte, ob Neil Macfarlane ins Kino ging. Und sie war wild entschlossen, sich in keinster Weise für Neil Macfarlane zu interessieren. Stattdessen kratzte Cindy sich im Nacken und griff zum Brotkorb, den sie allerdings nur ein wenig verschob, bevor sie ihre Hand wieder in den Schoß sinken ließ. Sie wollte sich kein Brot nehmen, weil sie Angst hatte, ihre weiße Bluse und ihre graue Leinenhose voll zu krümeln. Sie wollte nicht, dass der Kellner mit einem dieser Furcht einflößenden Geräte kam, mit dem sie den Tisch von Essensresten säuberten, jede Handbewegung ein stummer Vorwurf an den schludrigen Esser. Sie wollte nur das Essen hinter sich bringen, vorausgesetzt, der Kellner nahm irgendwann ihre Bestellung entgegen, ihren Wein trinken, vorausgesetzt, der Weinkellner fand den teuren Bordeaux, den Neil bestellt hatte, und möglichst schnell wieder verschwinden und nach Hause zu Julia fahren, vorausgesetzt, ihre ältere Tochter hatte endlich geruht zu erscheinen. Wo war sie überhaupt? Warum hatte sie nicht allerwenigstens angerufen? Cindy vergewisserte sich, dass das Handy in ihrer Handtasche eingeschaltet war.
»Alles in Ordnung?«, fragte Neil.
»Ja, bestens.« Cindy lächelte und vermied jeden längeren Blick in seine Augen, seine, wie sie auf den ersten Blick festgestellt hatte, außergewöhnlich blauen Augen, irgendwo zwischen graublau und türkis und auch noch mit
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