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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sie.
    »Was?«
    »Ich sagte, ich hab nichts anzuziehen.«
    »Ich auch nicht. Können wir morgen einkaufen gehen?«
    Cindy ging ihre Hosenanzüge durch, verwarf den einen als zu schwer, den anderen als zu leicht und einen dritten als zu förmlich für eine erste Verabredung, obwohl er aussah, als ob er einem Steuerberater gefallen könnte. Schließlich entschied sie sich für eine graue Leinenhose und eine weite, weiße Bluse. Die waren zumindest sauber.
    »Oh, wow. Du glaubst nicht, was sie jetzt machen«, rief Heather halb schockiert und halb begeistert. »Das musst du dir ansehen, Mom.«
    Cindy stürzte gerade noch rechtzeitig aus dem begehbaren Kleiderschrank, um mitzubekommen, wie der Muskelmann mit den weißen Zähnen Wasser aus einem Schlauch auf das winzige Bikinihöschen seiner Begleiterin spritzte, während die vollbusige, langhaarige Tussi entzückt quiekte. »Wie kannst du dir diesen Mist angucken?«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder? Es ist super.« Sie bemerkte die Kleider in der Hand ihrer Mutter. »Was machst du? Gehst du aus?« In der zweiten Frage schwang ein klitzekleiner Hauch von Entrüstung mit.
    »Es wird bestimmt nicht spät.«
    »Wohin gehst du?«
    »Ach, bloß essen. Es wird nicht spät.«

    »Das sagtest du schon. Mit wem gehst du essen?«
    »Mit niemand Besonderem.«
    »Was soll das heißen?« Heather richtete sich auf dem Bett auf, schlug die Beine übereinander, stützte das Kinn in ihre Hände und war mit einem Mal ganz Ohr.
    »Das soll gar nichts heißen.«
    »Ich finde, du weichst mir aus.«
    »Und ich finde, du bist ziemlich neugierig.«
    Sei nicht so stur , hatte sie Julia heute Morgen erklärt.
    Sei nicht so anal .
    »Es interessiert mich bloß«, sagte Heather. »Du fragst mich ja auch immer, wo ich hingehe.«
    »Das liegt daran, dass ich deine Mutter bin.«
    »Hast du ein Date?«, bohrte Heather weiter. »Ja, das ist es, oder? Mit wem ist es denn?«
    » Wer ist es oder mit wem gehe ich aus?«, verbesserte Cindy sie.
    »Mit wem gehst du aus, Mutter?«, fragte Heather mit Julias Stimme, und das Wort »Mutter« traf Cindy wie ein zurückschnappendes Gummiband.
    Sie schüttelte kapitulierend den Kopf. »Er heißt Neil Macfarlane. Er ist Trishs Steuerberater.«
    »Ist er nett?«
    Cindy zuckte die Achseln. »Trish behauptet es jedenfalls.«
    »Du hast ihn noch nie gesehen?«
    Cindy wurde rot.
    »Das heißt, es ist ein … Blind Date?«, fragte Heather übertrieben artikuliert und mit Betonung auf den beiden letzten Wörtern, zu denen sie auf den Fernseher wies.
    » Hast du je bei einem Dreier mitgemacht ?«, fragte der grinsende Romeo seine kichernde Julia, während er sie von Hand mit Hummer fütterte und die Butter ableckte, die von ihrem Kinn tropfte.
    »Oh je«, sagte Cindy.

    »Willst du das anziehen?«, fragte Heather und wies mit dem Kopf auf die Kleider in der Hand ihrer Mutter.
    Cindy hielt sich die Bluse ans Kinn. »Was meinst du?«
    »Vielleicht nimmst du lieber etwas tiefer Ausgeschnittenes, um, du weißt schon, um mehr Eindruck zu schinden.«
    »Ich glaube, dies ist genau der Eindruck, den ich machen will. Wo ist Duncan?«, fragte Cindy, der plötzlich auffiel, dass sie Duncan seit ihrer Rückkehr nach Hause noch nicht gesehen hatte.
    Heather gab sich gleichgültig und lehnte sich auf ihre Ellenbogen gestützt zurück. »Keine Ahnung.«
    »Nicht? Das ist aber ungewöhnlich.«
    Heather warf ihrer Mutter einen giftigen Blick zu. »Nein, keineswegs. Wir sind schließlich nicht an der Hüfte zusammengewachsen.«
    »Habt ihr zwei euch gestritten?«
    »Keine große Sache.«
    An der Stimme ihrer Tochter erkannte Cindy, dass man das Thema am besten ruhen ließ. Außerdem wollte sie eigentlich gar keine Einzelheiten über einen möglichen Streit zwischen Heather und Duncan wissen. In Wahrheit wusste sie schon viel zu viel über ihre Beziehung. Das war das Problem, wenn das eigene Zimmer am selben Flur lag wie das, in dem ihre Tochter mit ihrem Freund zusammenlebte. Man hörte jedes Flüstern, jeden verspielten Seufzer, jedes dynamische Quietschen des Bettes. »Könntest du mir einen Gefallen tun?«, fragte Cindy lächelnd und wartete, dass ihre Tochter fragte, welchen. Als eine Reaktion ausblieb, fuhr sie fort: »Könntest du deinen Vater für mich anrufen?«
    »Warum?«
    »Um zu fragen, ob Julia zum Abendessen dort ist.«
    »Warum rufst du nicht selber an?«
    »Ich will nicht«, gab Cindy zu.
    »Warum nicht?«

    »Weil ich dich bitte anzurufen.«
    Heather stöhnte. »Was für eine

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