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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Antwort ist denn das?«
    »Heather, bitte …«
    »Ich rufe an, wenn die Sendung vorbei ist.«
    »Und wann ist das?«
    »In einer Viertelstunde.«
    » Es hat zwischen uns auf intellektueller Ebene gefunkt «, erklärte die Tussi der Kamera.
    »Danach rufst du deinen Dad an?«
    »Julia geht es gut. Sie hat dir doch gesagt, dass sie nicht zu der Anprobe kommt. Ich weiß nicht, worüber du dir solche Sorgen machst.«
    »Ich mach mir keine Sorgen«, erwiderte Cindy und fügte nach kurzem Nachdenken hinzu: »Du glaubst nicht, dass sie sich verirrt haben könnte, oder?«
    »Verirrt?«, fragte Heather in dem gleichen Tonfall wie ihre Tante am Nachmittag.
    Als Julia zum letzten Mal verschwunden war, war sie dreizehn Jahre alt, erinnerte Cindy sich. Sie selbst hatte damals noch unter dem Schock des plötzlichen Todes ihres Vaters gestanden, der zwei Monate zuvor einen Herzinfarkt erlitten hatte, Tom war auf einer »Geschäftsreise« mit seiner neuesten Liebschaft, und Heather würde am Abend bei einem Auftritt mit dem Schulchor ein Solo singen. Julia sollte so zeitig wieder zu Hause sein, dass sie ihre Mutter zu dem Konzert begleiten konnte, doch um sieben war sie noch immer nicht da. Cindy verbrachte eine Stunde damit, Julias sämtliche Freundinnen anzurufen, bei den Nachbarn zu fragen und durch die regennassen Straßen zu kurven. Sie versuchte, Tom in Montreal zu erreichen, doch er war nicht im Hotel. Um neun Uhr fuhr sie schließlich unsicher und voller Sorgen zur Schule, um Heather abzuholen, wo eine trotzige Julia ihre Schwester tröstete. »Ich hab dir doch gesagt, wir treffen uns vor der Aula«, schimpfte Julia mit ihrer Mutter. »Hörst du nicht zu?«

    Hatte Julia ihr am Morgen von ihren Plänen erzählt, fragte Cindy sich, warf die Kleider aufs Bett und ging ins Bad. War das Durcheinander allein ihre Schuld? Hatte sie tatsächlich nicht zugehört?
    »Sieh mich an«, stöhnte sie. »Ich sehe furchtbar aus.«
    »Du siehst nicht furchtbar aus«, rief Heather aus dem Schlafzimmer.
    »Ich bin klein.«
    »1,65 Meter ist nicht klein.«
    »Meine Haare sind eine einzige Katastrophe.« Cindy zupfte an ihren losen braunen Locken.
    »Deine Haare sind keine Katastrophe.« Heather tauchte in der Badezimmertür auf. »Was ist los, Mom?«
    »Was los ist?«
    »Sollte nicht eigentlich ich über mein Aussehen jammern und du diejenige sein, die mich mit antiquierten, mütterlichen Allgemeinplätzen tröstet?«
    Cindy lächelte. Heather hatte Recht. Wann hatten sie plötzlich die Rollen getauscht?
    »Du bist wahrscheinlich bloß nervös wegen deinem Date.«
    »Es ist kein Date«, verbesserte Cindy sie. »Und ich bin nicht nervös.« Sie drehte den Wasserhahn auf und begann, eifrig ihr Gesicht abzuschrubben.
    »Du solltest lieber keine Seife nehmen«, riet ihre Tochter, hielt die Hand ihrer Mutter fest und nahm eine Reinigungsmilch aus dem Badezimmerschränkchen. »Ich meine, du kaufst doch den ganzen Kram. Warum benutzt ihn dann nicht?«
    »Es ist zu viel Arbeit. Ich hab keine Lust.«
    »Versuch mal das hier«, wies Heather sie an. »Und danach das.« Sie zog diverse Gefäße aus dem voll gestopften Schränkchen und stellte sie auf den Waschtisch aus Kirschholz. »Dann schminke ich dich. Apropos Make-up: Was war denn heute mit Tante Leigh und ihren Tammy-Faye-Baker-Augen?«
    »Ich hoffe, es ist bloß eine Phase.«

    »Na, hoffentlich ist die bis zur Hochzeit vorbei.«
    Das Telefon klingelte.
    »Na, das wurde auch Zeit.« Cindy marschierte zurück in ihr Schlafzimmer und nahm den Hörer ab. »Hallo«, sagte sie voller Erwartung, Julias Stimme zu hören.
    »Cindy, ich bin’s, Leigh«, verkündete ihre Schwester, als hätte sie gewusst, dass sie gerade über sie gesprochen hatten. »Ich wollte mich nur noch mal für heute Nachmittag entschuldigen – dafür, dass ich gesagt habe, du würdest ständig ins Kino rennen und wüsstest nicht, wie man sich um seinen Mann kümmert.«
    »Oh«, sagte Cindy ausdruckslos. »Das.«
    »Das war wirklich daneben.«
    »Ja«, stimmte Cindy ihr zu. »Allerdings.«
    »Jedenfalls tut es mir Leid.«
    »Entschuldigung angenommen.«
    »Es ist bloß diese Hochzeit. Und Mom natürlich.«
    »Natürlich.«
    »Es ist einfach dieser Dauerdruck. Manchmal wird mir alles zu viel.«
    Cindy nickte in den Hörer.
    Ihre Schwester seufzte. »Ich wünschte, ich hätte dein Leben.«
    Cindy lachte, als sie den Hörer auflegte.
    »Was ist so komisch?«, fragte Heather.
    »Was sich meine Schwester unter einer Entschuldigung

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